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Afghanistan bleibt lebensgefährlich

Große Koalition bewertet den Bericht zur Lage am Hindukusch unterschiedlich

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Mit langer Verzögerung hat das Auswärtige Amt den neuen Lagebericht vor wenigen Tagen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, den Verwaltungsgerichten und den Landesinnenbehörden zur Verfügung gestellt. Der Bericht dient den Behörden bei ihrer Entscheidung über Asylanträge und Abschiebungen als Informationsgrundlage. Die Bundesregierung spricht darin von einer »weiterhin volatilen Sicherheitslage« in Afghanistan. Diese weise »starke regionale Unterschiede« auf. »Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist.« Die Ausweichmöglichkeiten für diskriminierte oder verfolgte Menschen hingen »maßgeblich vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer finanziellen Lage ab«, heißt es in der Bewertung.

Zudem sei besonders im Umfeld größerer Städte die »Absorptionsfähigkeit der genutzten Ausweichmöglichkeiten« durch die »hohe Zahl der Binnenvertriebenen und der Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan bereits stark in Anspruch genommen«. Reisen auf dem Landweg seien gefährlich.

CSU-Generalsekretär Markus Blume forderte trotzdem, der generelle Abschiebestopp nach Afghanistan müsse »auf den Prüfstand«. Es gebe dort »stabile Regionen«, in die »abgelehnte Asylbewerber wieder zurückgeführt werden« könnten, sagte Blume der »Bild am Sonntag«. Deutschland schiebt seit Dezember 2016 wieder nach Afghanistan ab. Das betrifft jedoch nur Menschen, die als Straftäter oder als Gefährder eingestuft sind oder die nach Einschätzung der Behörden etwa ihre Identität verschleiern.

Beim Koalitionspartner riefen Blumes Forderungen Widerspruch hervor. »Bei der instabilen Lage in Afghanistan ist größte Vorsicht angebracht«, sagte SPD-Vizechef Stegner der Zeitung. Für »hektische Änderungen der restriktiven Abschiebepraxis« sehe er keinen Anlass.

Die Organisation Pro Asyl bekräftigte ihre Forderung nach einem Abschiebestopp. »Wir müssen davon ausgehen, dass sowohl die ablehnenden Asylbescheide als auch die Abschiebungsentscheidungen aufgrund dieser Neubewertung der Lage haltlos sind«, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt.

Der Westen ist mit seiner Mission in Afghanistan offenbar gescheitert. Darauf deutet eine aktuelle Studie des UN-Kinderhilfswerks hin. Demnach geht dort fast die Hälfte aller Kinder zwischen 7 und 17 Jahren nicht zur Schule. Gründe sind vor allem der anhaltende Gewaltkonflikt, tiefe Armut und die Diskriminierung von Mädchen, wie UNICEF am Sonntag mitteilte.

Auch Vertreibung, Frühehen, fehlende Lehrerinnen und Lehrer und schlecht ausgestattete Schulen führten dazu, dass viele Kinder dem Unterricht fernblieben. Mädchen sind laut UNICEF besonders benachteiligt: In den südöstlichen Provinzen wie Kandahar, Paktia und Helmand erhalten bis zu 85 Prozent der Mädchen keinen Unterricht. Agenturen/nd

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