Brandenburg - so einfach ist es nicht

Im Vorfeld umstrittene neue Imagekampagne des Bundeslandes offiziell vorgestellt

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

»Es kann so einfach sein.« Obwohl es im Vorfeld keineswegs nur Beifall gab, bleibt die Staatskanzlei bei diesem Slogan für die neue Imagekampagne des Landes Brandenburg. Am Montag startete Staatskanzleichef Thomas Kralinski die Kampagne mit einer Präsentation der ersten sechs Plakate. »Brandenburg. Es kann so weitergehen«, sagte er, merkte aber bald, dass er sich versprochen hatte und korrigierte sich.

Man gehe davon aus, dass es unter den Deutschen einen »große Sehnsucht gibt nach einem einfachen, beschaulichen Leben«, mutmaßte Stefan Wegner, Geschäftsführer der renommierten Werbeagentur Scholz & Friends. Der Lockruf wende sich an Menschen in den Städten, »wo das Leben etwas komplizierter ist«.

Tatsächlich jedoch arbeitet im Landtag seit Jahren eine Enquetekommission »Ländlicher Raum«, die deshalb gebildet wurde, weil das Leben in weiten Teilen Brandenburgs überhaupt nicht einfacher wird, sondern im Gegenteil immer schwieriger. Die Enquetekommission soll deswegen für die Zukunft Lösungsvorschläge unterbreiten.

Ob es geraten sei, in einer solchen Situation den Menschen mit Plattitüden zu kommen, wurde Staatssekretär Kralinski gefragt. Der wollte davon nichts wissen. Von der Kampagne hätten 32 Prozent der Brandenburger gehört, bevor sie überhaupt begonnen habe, freute ihn der Streit um das Motto. Dass die Kommentare eher höhnisch waren, ficht ihn nicht an. Es gebe ein Sehnsuchtsgefühl »und dort knüpfen wir an«. Kralinski versprach eine »hohe Sichtbarkeit« der Kampagne, die vor allem Berlinern vermitteln solle, »dass man auch weiter draußen leben kann«. Kralinski selbst lebt in Berlin und zeigte sich nicht über die Frage erfreut, ob er selbst - animiert durch die Kampagne - ins fernere Umland zu ziehen gedenke.

Mit der Kampagne will die rot-rote Landesregierung Menschen nach Brandenburg locken, die »in natürlicher Umgebung leben und sich gleichzeitig in Beruf und Leben verwirklichen wollen«, erklärte Kralinski. Dies vor dem Hintergrund, dass das Bundesland längst in zwei Regionen zerfällt, die miteinander immer weniger zu tun haben - in den Speckgürtel, der sich nach Berlin orientiert und der sich über mangelnden Zuzug nicht beschweren muss auf der einen Seite, und auf der anderen Seite der Rest, in dem immer weniger Menschen leben. Dennoch beharrte Kralinski darauf, dass Werbesprüche wie »Innenstadt. Und außen grün« das Bundesland in allen seinen Teilen und mit allen seinen Seiten einbeziehen.

Er verwies auf eine Umfrage, wonach diese Sprüche das Lebensgefühl der Brandenburger treffen würden und sowohl im Land als auch außerhalb »durchweg ein positives Echo« ausgelöst hätten. Einer dieser Sprüche lautet: »Schön, wenn man da zuhause ist, wo andere nur am Wochenende hinkommen.« Mit einer 90-prozentigen Zustimmung sei der Satz bedacht worden: »Wer auf zu neuen Ufern will, findet bei uns die meisten in Deutschland.« Damit spielen die Erfinder auf den Seenreichtum Brandenburgs an. Das Foto, welches eine Joggerin zeigt, trägt den Spruch: »Fitness ohne Vertragsbindung. Und 24 Stunden geöffnet.« Zwei einsame Angler auf einem weiteren Bild sollen den wortkargen Zeitgenossen imitieren: »Nicht viele Worte machen und trotzdem ist alles gesagt.« Kampagnenchef Thomas Braune informierte, dass gerade Zugezogene ein ausgesprochen geringes Brandenburg-Gefühl ausgeprägt haben. Es liege - in Schulnoten ausgedrückt - bei 4,3.

Zunächst werden die Plakate der Imagekampagne im Süden Brandenburgs hängen. Staatskanzleichef Kralinski begründete das mit der Absicht, dass sich die Brandenburger mit dieser Werbung identifizieren sollen und so gleichsam zu »Botschaftern« des Anliegens gemacht werden sollen. Später werde es auch in Berlin solche Werbung geben. Viel mehr lasse das Budget von einer Million Euro im Jahr nicht zu. »Eine Werbung vor der Tagesschau ist für uns nicht finanzierbar.«

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