Überraschung im »Sachsensumpf«

Staatsanwalt verzichtet auf Anklage wegen Verfolgung Unschuldiger

  • Lesedauer: 2 Min.

Dresden. Überraschende Wendung im Prozess um den »Sachsensumpf«: Die beiden Beschuldigten sollen nach dem Willen der Generalstaatsanwaltschaft nicht mehr wegen Verfolgung Unschuldiger beziehungsweise Beihilfe zu dieser Straftat verurteilt werden. Allerdings beantragte Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt am Montag in seinem Plädoyer hohe Geldstrafen, weil beide Angeklagte vor einem Untersuchungsausschuss des sächsischen Landtages die Unwahrheit gesagt haben sollen. Die frühere Referatsleiterin im sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) soll 12 000 Euro - 120 Tagessätze zu 100 Euro - zahlen, ein inzwischen pensionierter Polizist 6000 Euro.

Zuvor ließ Schmidt den Hauptanklagepunkt überraschend fallen. Es gebe nach mehr als einjähriger Verhandlung Restzweifel daran, ob die vormalige Leiterin des Referates »Organisierte Kriminalität« im LfV vorsätzlich handelte, als sie bei der Erstellung eines Behördenzeugnisses für die Generalstaatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht gegen hochrangige Juristen begründete. Zu Beginn des Prozesses im März 2017 war ihr vorgeworfen worden, ihre Erkenntnisse nur auf Basis von Gerüchten und Vermutungen formuliert zu haben.

Schmidt sah bei der heute 59 Jahre alten Frau zwar einen »gewissen Verfolgungseifer« vor allem hinsichtlich sexueller Straftaten. Es habe seinerzeit aber auch Hektik bei der Zusammenstellung des Materials gegeben - nicht zuletzt wegen des großen medialen Interesses. Auch den Beihilfevorwurf gegen den mitangeklagten Kriminalhauptkommissar, der als Quelle von Anschuldigungen gedient hatte, hielt der Oberstaatsanwalt folgerichtig nicht mehr aufrecht.

Die Verteidigung der 59-Jährigen hatte in dem Prozess stets die Auffassung vertreten, dass ihre Mandantin schon deshalb nicht wegen Verfolgung Unschuldiger verurteilt werden könne, weil die Verfolgung von Straftaten gar nicht zu ihren Aufgaben gehörte. Sie habe lediglich Daten übermittelt. »Ich habe ein reines Gewissen. Ich bin unschuldig«, hatte die Frau zu Prozessbeginn gesagt. Zugleich sah sich die Verteidigung in ihrem Agieren eingeschränkt, weil die Angeklagte keine umfassende Aussagegenehmigung vom Geheimdienst erhielt und Akten zudem gesperrt blieben.

Die beiden Verteidiger des Ex-Polizisten plädierten auf Freispruch. Gleiches wurde für das Plädoyer der Verteidigung der früheren Referatsleiterin erwartet. Problematisch könnte für die beiden Angeklagten im Fall einer Verurteilung die Höhe der beantragten Geldstrafe sein. Denn ab 90 Tagessätzen gilt man in Deutschland als vorbestraft, was Konsequenzen für Pensionsansprüche mit sich bringen kann. dpa/nd

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