Kripo hat organisiertes Verbrechen im Blick
Landeskriminalamt ermittelte 2017 in 68 Fällen
Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte, planmäßige Begehung einer Straftat. Sie ist nach Definition des Bundeskriminalamtes dann von Bedeutung, wenn ihr eine gewerbsähnliche Struktur, Gewalt, oder gezielte Einflussnahme zugrunde liegt. Im Jahr 2017 traf diese Definition in Berlin auf insgesamt 68 Ermittlungskomplexe zu, wie Dirk Jacob, Dezernatsleiter des Landeskriminalamtes 41, am Montag vor dem Innenausschuss des Abgeordnetenhauses sagt. »Im Jahr 2016 waren es noch 60 Ermittlungskomplexe«, sagt Jacob.
Ist die Hauptstadt also gefährlicher geworden? »Vielfach bekommt man ja mit, dass in Berlin gedacht wird, die organisierte Kriminalität sei ein Problem von arabisch-palästinensischen Großfamilien. Doch das verkürzt den Blick auf das Problem, wenn man sich nur damit befasst«, sagt Benedikt Lux (Grüne) in Richtung der Opposition. Ihm zufolge gehen bundesweite Statistiken von einem Schaden in Milliardenhöhe aus, den das organisierte Verbrechen, das weder an Länder- noch an Bundesgrenzen haltmacht, verursacht hat. Die durch Ermittlungen gesicherten Vermögenswerte belaufen sich indes nur auf 61 Millionen Euro. »Nur weniger als zehn Prozent der Vermögenswerte bekommen wir, der Staat, also die Geschädigten, zurück. Das kann nicht so bleiben«, sagt Lux, als er den Antrag der Regierungsfraktionen zur organisierten Kriminalität erklärt.
Den Antrag hatte zwar ursprünglich die FDP gestellt, die Fraktion hatte ihn dann aber zurückgenommen, weil es deren innenpolitischem Sprecher Marcel Luthe zufolge »an einem genauen Bericht, der die Berliner Lage widerspiegelt«, fehlt.
»Die Erstellung des Lagebilds der ›OK‹ nimmt Zeit in Anspruch. Es gibt hier keinen laufenden Bericht, sondern lediglich die Zahlen nach Ende eines Kalenderjahres«, entgegnet ihm darauf Dirk Jacob. »Die Zahlen sind nicht valide, wenn sie nicht im bundesweiten Kontext betrachtet werden.« Erst dann könnten sich genaue Aussagen darüber treffen lassen, inwieweit das Ausmaß des organisierten Verbrechens in der Hauptstadt zugenommen habe, so der Kriminaldirektor. Seinen Aussagen zufolge ging es in 30 Prozent der 2017 geführten Ermittlungskomplexe um Eigentumsdelikte wie Raubüberfälle, Einbrüche sowie Taschen- und Autodiebstähle. 22 Prozent betrafen den Rauschgifthandel, 16 Prozent das Nachtleben, also vor allem Zwangsprostitution, und jeweils neun Prozent Fälschungsdelikte, Gewaltverbrechen und Steuerstraftaten.
Die Statistik wird von deutschen Staatsangehörigen mit 14 Ermittlungskomplexen angeführt. Doch hierbei kommt es zu Verschiebungen, wie Jacob anmerkt: »Dazu zählen auch Deutsche mit Migrationshintergrund.« Bulgarische Gruppierungen kommen auf acht Nennungen in den Verfahren. Bei sechs Ermittlungskomplexen ging es um türkische Tatverdächtige, fünfmal jeweils um Litauer und Russen sowie viermal um Polen. Die italienische Mafia spielte nach den Angaben keine Rolle.
Zu Rockerbanden sagt der Dezernatsleiter: »Im Gegensatz zur Bundeslage, muss man für Berlin festhalten, dass wir hier keine öffentlichen, gewaltsamen Auseinandersetzungen haben. Man sollte sich jedoch nicht täuschen, dass es diese Gruppierungen nicht mehr gibt.« Jacob zufolge seien öffentliche Konfrontationen und Gewaltdelikte zwischen den Rockern zurückgegangen, was sich der Kriminaldirektor durch das seit 2016 bestehende Kuttenverbot erklärt.
»Die Zahlen sind jedoch nur Rohdaten«, erklärt der Frank Zimmermann. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion sagt zudem: »Es gibt ein Lagebild, es gibt es nur nicht im technischen Sinne, wie Sie es hier fordern. Das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen, und keine Falschmeldungen zu produzieren.« Ein bundesweites Lagebild, das die Berliner Zahlen beinhaltet, soll erst zum Ende des Kalenderjahres vorliegen, so Dirk Jacob.
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