Vergiftetes Gedenken

Stephan Fischer über polnisches Erinnern an die Smolensk-Katastrophe 2010

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 1 Min.

Die Worte sowohl Andrzej Dudas als auch Jarosław Kaczyńskis zur Enthüllung des Denkmals für die 96 Opfer des Flugzeugabsturzes von Smolensk waren ruhig und bedacht. Da war von Einigkeit im Gedenken die Rede, es klang nach Versöhnung statt Spaltung am achten Jahrestag der Katastrophe. Mit der versteinerten Verstetigung im Warschauer Stadtzentrum am Piłsudski-Platz sollen auch die monatlichen Demonstrationen enden. Jene Demonstrationen, die genau 96 Mal nominell nur dem Gedenken dienen sollten - tatsächlich aber auch die Spaltung der polnischen Gesellschaft offenbart und darüber hinaus auch noch verfestigt haben.

Viele Anhänger vor allem der Nationalkonservativen erhoben die Toten zu beinahe kultischen Opfern für ein patriotisches Polen - dabei geflissentlich ignorierend, dass auf der damaligen Reise nach Katyn unterschiedslos Politiker aller Richtungen ums Leben kamen. Viele der eher jüngeren Gegendemonstranten störten wiederum auch die Manifestationen ehrlichen Gedenkens. Da prallten zwei Fraktionen aufeinander, die nicht mehr ernsthaft miteinander ins Gespräch kommen konnten und wollten, weil sie sich gegenseitig nur sinistere Motive unterstellten. Um zu einem ehrlichen, einigenden Gedenken zu kommen, muss jedoch die Instrumentalisierung der Toten aufhören - die Hoffnung darauf ist angesichts eines vergifteten politischen Klimas gering.

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