»Die Förderkulisse ist gut aufgestellt«

Der Vorpommern-Rat trifft sich am Mittwoch erstmals in Anklam - doch bereits im Vorfeld gibt es Kritik

  • Martina Rathke Anklam
  • Lesedauer: 4 Min.

Als Patrick Dahlemann (SPD) vor anderthalb Jahren seinen Posten als Vorpommern-Staatssekretär antrat, habe er sich vorgenommen, auch die Art der Politik zu verändern, sagt er. Deshalb sei er froh, dass nun der Vorpommern-Rat mit seinem Sachverstand aus Wirtschaft, Kommunalpolitik, Wissenschaft und Kultur die Arbeit aufnehme. »Mir ist es ganz wichtig, die Macher vor Ort mitzunehmen, um auf deren Wissen und Netzwerke zugreifen und deren Expertise in das Regierungshandeln miteinbeziehen zu können«, so Dahlemann

Seit der Landtagswahl richtet die SPD/CDU-Landesregierung ihr Augenmerk besonders auf den Osten des Landes. In Vorpommern fuhr die AfD im September 2016 die landesweit höchsten Stimmenanteile ein. Neben der aus Staatssekretären der Ministerien bestehenden Lenkungsgruppe für Vorpommern sowie den Vorpommern-Fonds etabliert Schwerin nun mit dem Vorpommern-Rat eine dritte Säule zur Förderung des wirtschaftlich schwachen Landesteils.

Das aus zehn festen Mitgliedern sowie weiteren beratenden Mitgliedern bestehende Gremium trifft sich am Mittwoch erstmals in Anklam. Der Rat ist regional und geschlechterspezifisch ausgewogen besetzt, wie Dahlemann betont: fünf Männer, fünf Frauen, Kommunalpolitiker von CDU, SPD, eine Bundestagsabgeordnete der Linkspartei ist dabei, Wirtschaftsförderer aus dem Norden und dem Süden Vorpommerns, die Rektorin der Greifswalder Universität, die Unternehmerin Dagmar Braun. »Wir wollen den Blick von Außen am Regierungstisch haben«, sagt Dahlemann.

Die Landrätin von Vorpommern-Greifswald, Barbara Syrbe (LINKE), ist als beratendes Mitglied im Gremium. »Nach meinem Dafürhalten kann der Rat ein wirksames Instrument dafür sein, die Landesregierung für die spezifischen Potenziale Vorpommerns zu sensibilisieren und den entsprechenden Informationsfluss zu beschleunigen«, sagt Syrbe. Als zentrales Kriterium nannte sie den Breitband-Ausbau. Der Vorpommern-Rat - der sich, so Dahlemanns Vorstellung, einmal im Quartal treffen soll - wird auch über die Mittel aus dem Vorpommern-Fonds ab einer Größenordnung von 50 000 Euro entscheiden. Kritiker sehen deshalb in ihm auch ein Kontrollgremium für die Mittelvergabe aus dem umstrittenen Regionalfonds. »Die Gelder dürfen nicht weiter nach Gutdünken mit der Gießkanne verteilt werden«, sagt die Chefin der Linksfraktion, Simone Oldenburg. Sie bezeichnet den Fördermitteltopf als »Dahlemann-Handschlag-Fonds«.

Die Partei Bürger für Mecklenburg-Vorpommern findet, dass Aufwand und Nutzen nicht im angemessenen Verhältnis zueinander stünden. »Der Steuerzahler muss den Aktionismus der Landesregierung in Vorpommern teuer bezahlen«, sagt Fraktionsgeschäftsführer Matthias Manthei. Das Land habe 2017 rund 619 000 Euro Sach- und Personalkosten ausgegeben, um zwei Millionen Euro aus dem Fonds zu verteilen und einen »zweiten Regierungssitz« in Anklam zu unterhalten.

Dahlemann war wegen der Unterstützung von Pop-Konzerten und Dorffesten in die Kritik geraten. Bislang wurden 141 Anträge mit einem Volumen von 1,56 Millionen Euro bewilligt. In diesem Jahr können noch 3,5 Millionen Euro aus dem Fonds unbürokratisch in die Region fließen.

Vor der ersten Sitzung sind die Erwartungen des Geschäftsführers der Wirtschaftsfördergesellschaft Vorpommern, Rolf Kammann, noch gedämpft. Er gehört zu den festen Mitgliedern des Rates. Der Vorpommern-Rat könnte aber - wenn es gut läuft - eine Art »Think Tank« werden, der berät und die Entwicklung des Landesostens unterstützt, sagt Kammann. »Wir werden sicher nicht das alles entscheidende Gremium sein.« Als Wirtschaftsförderer liege ihm am Herzen, wie vor allem höherwertigere und besser bezahlte Arbeitsplätze in Vorpommern geschaffen, mehr Industrie angesiedelt und die Digitalisierung vorangetrieben werden könne. Dies sei nicht vorrangig eine Frage von Fördermittel, sagt Kammann. »Die Förderkulisse ist gut aufgestellt. Bund, Land und EU stellen ausreichend Geld zur Verfügung.« Das grundsätzliche Problem der Region sei die Unterfinanzierung der Kommunen - und das könnten weder Vorpommern-Fonds noch Vorpommern-Rat lösen.

Kritik an der Zusammensetzung des Rats kommt von der Insel Usedom. Heringsdorfs Bürgermeister Lars Petersen (CDU) vermisst einen Vertreter aus Tourismusverbänden in dem Gremium. Der Tourismus sei der stärkste Wirtschaftszweig in der Region, Usedom eine der stärksten Urlaubsdestinationen in Deutschland - mit dem typischen Problem der touristischen Verkehre. »Der Vorpommern-Rat ist sein Geld nicht wert«, so Petersens Fazit. Dahlemann lässt diese Kritik nicht stehen. Im Rat seien Wirtschaftsverbände vertreten, die auch den Tourismus repräsentierten. Schwerpunktmäßig werde man sich natürlich mit dem Thema Tourismus befassen. dpa/nd

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