Angeschlagen in Berlin

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko besucht Deutschland

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 3 Min.

Am 10. April ist er wieder in Berlin: Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko. Weil Deutschland als wichtigster Vermittler im Konflikt um den Donbass-Krieg fungiert und an den sogenannten Normandie-Verhandlungen zusammen mit der Ukraine, Russland und Frankreich teilnimmt, ist es keine Überraschung, dass der 52-Jährige besonders oft nach Deutschland fliegt und die Bundeskanzlerin Angela Merkel trifft.

Diesmal soll es beim Gespräch zwischen dem ukrainischen Staatsoberhaupt und der deutschen Regierungschefin um den möglichen Einsatz der UN-Friedensstifter im Donbass gehen - ein Thema, das die Verhandlungen im Rahmen des Minsker Friedensprozesses seit Monaten dominiert.

»Es ist unglaublich wichtig für die Lösung des Konflikts, diese Diskussion voranzutreiben«, sagte Poroschenko, als er am 1. April seinen Deutschland-Besuch ankündigte. »Wenn die Friedensstifter überall im Donbass präsent sind, muss sich Russland früher oder später zurückziehen.« Allerdings sind die Lösungswege für den Donbass-Krieg bei weitem nicht das Einzige, was Petro Poroschenko gerade beschäftigt. Denn ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl in der Ukraine, die am 31. März 2019 stattfinden soll, kommt Poroschenko innen- wie außenpolitisch extrem angeschlagen nach Berlin.

Gerade in letzter Woche scheiterte die Werchowna Rada, das ukrainische Parlament, ein Versprechen Poroschenkos an die westlichen Geldgeber umzusetzen. Eigentlich sollte die Ukraine die Notwendigkeit der elektronischen Offenlegung von Einkünften der Antikorruptionsaktivisten aus dem entsprechenden Gesetz streichen, allerdings fanden sich die nötigen Stimmen während mehrerer Abstimmungen nicht - und es sah so aus, als ob Kiew ein Versprechen gegeben hätte, dass es von Anfang an nicht halten konnte.

Hinzu kommen der Skandal um den Malediven-Urlaub von Poroschenko, der heute noch großes Thema in ukrainischen Medien ist, und die Ausweisung des georgischen Ex-Präsidenten und Ex-Gouverneurs des südukrainischen Odessa, Michail Saakaschwili.

Innenpolitisch sorgt dies dafür, dass Poroschenkos Chancen für die Präsidentschaftswahlen 2019 immer geringer werden. In keiner einzigen der aktuellen Umfragen liegt der amtierende Präsident auf dem ersten Platz, anders als seine Rivalin Julia Timoschenko.

Aber auch außenpolitisch scheint Poroschenko den einst starken Rückhalt des Westens verloren zu haben. In Kiew machen ausländische Diplomaten schon lange keinen mehr Hehl daraus, dass sie von Poroschenkos Kurs nicht überzeugt sind. Allerdings zeigen sich die westlichen Länder ebenfalls wenig begeistert von der Perspektive, Julia Timoschenko als nächste Präsidentin begrüßen zu dürfen.

Nun will die Chefredakteurin von »LB.ua«, einer einflussreichen Nachrichtenseite, herausgefunden haben, dass die US-Botschafterin in der Ukraine, Marie Yovanovitch, in privaten Gesprächen ganz offen von der Unterstützung für den Kiewer Bürgermeister und Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko spricht. »Die Wiederwahl von Poroschenko sei für die USA nicht annehmbar, ihre Sicht ist Klitschko«, schreibt LB.ua-Chefredakteurin Sonja Koschkina. Allerdings ist sie nicht die erste, die die vermeintliche Unterstützung des Westens für Klitschko thematisiert. Der Ex-Boxer selbst meinte übrigens in einem Interview Ende März, dass er seine Kandidatur bei den Wahlen 2019 nicht ausschließen kann. Ursprünglich sollte Klitschko bereits 2014 kandidieren, entschied sich aber - zugunsten der Kandidatur von Petro Poroschenko - um das Amt des Bürgermeisters der ukrainischen Hauptstadt zu kämpfen.

Mit oder ohne Unterstützung aus dem Westen - für Klitschko, der vom ukrainischen Wähler kaum als ernsthafter Politiker wahrgenommen wird, wäre es sehr schwierig bis unmöglich, in die Präsidialverwaltung an der Bankowa-Straße einzuziehen. Dennoch sind dies für Poroschenko Zeichen, auf die er verstärkt achten wird. Und dass die politische Zukunft des 52-Jährigen auch beim Treffen mit Merkel eine Rolle spielen wird darf wohl als gesetzt gelten.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.