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Immer wachsam
DFB-Ko-Trainerin Ulrike Ballweg sorgt sich nicht um den Frauenfußball, sieht aber Probleme
Sie hatten sich eigentlich mit dem Olympiasieg 2016 beim deutschen Frauen-Nationalteam als Ko-Trainerin verabschiedet. Jetzt sind Sie wieder da. Warum?
Es war ein kurzes Gespräch. Denn für mich war recht schnell klar, noch mal zu helfen.
Ulrike Ballweg (r.) ist die wichtigste Ratgeberin für Interimstrainer Horst Hrubesch (l.) beim Frauen-Nationalteam vor den WM-Qualifikationsspielen an diesem Sonnabend in Halle gegen Tschechien und am Dienstag in Domzale gegen Slowenien. Die 52-Jährige war elf Jahre lang Ko-Trainerin von Silvia Neid und betreut auch das U16-Team. Frank Hellmann erklärt sie, warum sich Hrubesch die Namen der Spielerinnen nicht merken konnte, und spricht über die Qualität im deutschen Frauenfußball mit einer problematischen Entwicklung im Nachwuchs.
Was sind Ihre Aufgaben?
Ich bin sicher diejenige, die die Spielerinnen besser kennt und das Niveau im Frauenfußball besser einschätzen kann. Horst Hrubesch hatte zuvor ja mehr von außen drauf geschaut.
Interimstrainer Horst Hrubesch gab am Mittwoch bekannt, dass er bei den Namen noch Hilfe braucht ...
Ich habe sicher den besseren Durchblick (lacht). Es ist wirklich schwierig für ihn, weil die Gesichter auf dem Spielfeld anders aussehen, als wenn die Spielerinnen mit offenen Haaren zum Essen gehen. Aber nach drei gemeinsamen Tagen in Leipzig hat er das mittlerweile gut drauf.
Tut seine Art dem Team gut?
Er hat einen guten Zugang zu den Spielerinnen. Genau wie bei den Männern kommt er als Typ einfach gut an. Es gibt mal einen flapsigen Spruch, dann geht es auch wieder ernsthaft zu. Das ist authentisch. Und alles was er anspricht, hat eben Hand und Fuß.
Leiten Sie die Trainingseinheiten?
Nein, Horst ist der Chef. Er hat auch einen klaren Plan, wie er spielen möchte - und das wird sich nicht viel von dem unterscheiden, wie die deutschen Frauen früher gespielt haben. In der Spielidee sind das nur kleine Veränderungen im Detail.
Also wird heute gegen Tschechien wieder im früher bewährten 4-2-3-1-System gespielt?
Es wird sicher keine riesige Neuerung im Spielsystem geben. Wir erhoffen uns Veränderungen eher in der Spielweise. Da fließen mehrere Faktoren ein: die Körpersprache gehört mit Sicherheit dazu, die wiederum mit dem Selbstbewusstsein zusammenhängt. Das Team soll aktiver sein. Wir wollen Wert auf Geschwindigkeit und Zielstrebigkeit legen und den Spielerinnen bewusst machen, wie gut sie sind.
War es eigentlich eine Option, gleich Silvia Neid zurückzuholen, um das alte Selbstverständnis zurückzubringen?
Da müssen sie Joti (Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter Nationalmannschaften beim DFB, Anm. d. Red.) fragen - in die Thematik war ich nicht involviert. Was ich sagen kann: Silvia wird am Sonnabend in Halle auf der Tribüne sitzen und mit uns entsprechenden Informationen in der Halbzeit versorgen. Das ist mit dem gesamten Trainerteam abgestimmt. Sie hat halt lange Erfahrung und kann sicher unsere Leistung gut beurteilen. Sie hat auch in der Bundesliga wieder für uns gesichtet.
Als langfristige Lösung wird immer wieder Martina Voss-Tecklenburg genannt. Wäre die Schweizer Nationaltrainerin eine gute Wahl?
Es gibt ja einige Namen von Kandidatinnen und Kandidaten, die öffentlich zur Diskussion stehen. Martina Voss-Tecklenburg trifft man häufiger bei Spielen in der Bundesliga. Sie hat in der Schweiz gezeigt, dass sie eine Mannschaft entwickeln kann. An den Spekulationen möchte ich mich aber nicht beteiligen.
Wie sehen Sie generell die Qualität im deutschen Frauenfußball?
Ich mache mir keine grundsätzlichen Sorgen, aber man muss immer wachsam sein. Wir dürfen uns nicht ausruhen, denn oben zu bleiben, ist immer schwieriger als nach oben zu kommen. Das merken übrigens gerade auch die Holländerinnen als Europameister.
Weist nicht eine 1:6-Pleite der U15 gegen die USA vor fünf Monaten darauf hin, dass allerorten die Vormachtstellung bröckelt?
Dieses Team war mehr als ein Jahrzehnt lang ungeschlagen, mir persönlich kam die Kritik überzogen vor, denn es gibt nicht viele Nationen, die in diesem Bereich vor uns stehen. Deswegen alles schlechtzureden und in Hektik zu verfallen, ist sicher auch nicht der richtige Weg. Unsere Mädchen spielen möglichst lange bei den Jungs mit, um sich Spieltempo, Wettkampfhärte und Durchsetzungsvermögen anzueignen. Wir haben gute Nachwuchsspielerinnen, nur sollten sie auch entsprechende Einsatzzeiten in der Bundesliga bekommen.
Der VfL Wolfsburg hat in der Champions League zuletzt acht Ausländerinnen in der Startelf aufgeboten, als Slavia Prag mit 5:0 besiegt wurde. Unter den Torschützinnen war keine deutsche Spielerin. Meinen Sie so etwas?
Genau. Wir dürfen davor nicht die Augen verschließen. Wir müssen schauen, dass unsere Nachwuchsspielerinnen auch in den guten Vereinen ihre Einsatzzeiten bekommen, um internationale Erfahrungen zu sammeln, die später auch der Nationalmannschaft zugute kommen.
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