Russlands Öl für Chinas Wirtschaft

Für 2018 und 2019 ist eine Intensivierung der Beziehungen beider Länder geplant

  • Werner Birnstiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Chinas Präsident Xi Jinping reagierte unverzüglich: Die Volksrepublik sei bereit, die Beziehungen zu Russland auf eine »höhere Ebene zu bringen«. Xi war der erste prominente Gratulant nach der Wiederwahl von Wladimir Putin zum Präsidenten Russlands am 18. März, und er erklärte, die Beziehungen der beiden Länder seien schon jetzt auf dem »besten Niveau in der Geschichte«.

Tatsächlich stimmt die Interessenlage beider Staaten inzwischen in so gut wie allen Belangen weitgehend überein und kann zum Gewinn beider zügig ausgebaut werden. Konkret dafür steht, dass im Februar ein Abkommen in Kraft trat, das 2018/2019 als »Jahre der lokalen Kooperation und des Austauschs China - Russland« festschreibt: Das Ziel ist die Zusammenarbeit der Provinzen Nordost-Chinas mit den russischen Fernost- und Baikal-Regionen komplex zu intensivieren. Untersetzt wird das Ganze durch weit über 100 Aktivitäten wie Investitionskonferenzen, Ausstellungen zum Handel, Industriekooperationen und Zusammenarbeit in der Landwirtschaft. Weiter an Statur gewinnt das alles durch das Ost-Wirtschaftsforum in Wladiwostok im September 2018, eine Russland-China-Expo und das 22. Internationale Wirtschaftsforum in St. Petersburg im Mai 2018 mit 10 000 Teilnehmern aus aller Welt zum Thema »Errichtung einer Vertrauenswirtschaft«. Dazu passt ins Bild, ist jedoch heute fast vergessen, dass 2001 ein Freundschaftsvertrag China - Russland unterzeichnet wurde, der die inzwischen »vertiefte umfassende strategische Partnerschaft« beider Länder mitbestimmt. Er enthält keine militärische Beistandsklausel, und Russland unterstützt darin eindeutig das »Ein-China-Prinzip« und Chinas Positionen im Diskurs zum Südchinesischen Meer.

Politisch und wirtschaftlich zielt alle Kooperation mittlerweile vorrangig darauf, russische Öl-, Gas- und andere Rohstofflieferungen beizubehalten oder auszuweiten und zugleich moderne Industriestrukturen aufzubauen und zu vernetzen. Trotz der russischen Annexion der Krim wurde nach 2014 eine Ostsibirien-Pazifikpipeline gebaut, über die bis 2045 Gas im Wert von über 400 Milliarden US-Dollar nach China geliefert werden soll. Über das Neue-Seidenstraßen-Projekt sind beide Länder zugleich dabei in Westchina wie auch in Mittelsibirien neue Wirtschaftsräume auf- und auszubauen. Sechs Wirtschaftskorridore umfasst die Neue Seidenstraße, einer davon verläuft von Nordchina über die Mongolei in die Region am Baikalsee, wo auch moderne Zulieferer für Russlands Flugzeugindustrie angesiedelt sind. Symbolisch für diesen Modernisierungsprozess ist, dass beide Länder seit Mai 2017 ein zweistrahliges Langstreckenflugzeug entwickeln, mit dem 280 Passagiere über 12 000 Kilometer befördert werden können, das in Shanghai endmontiert und ab 2025 ausgeliefert werden soll.

Bleibendes Problem ist, dass von den 145 Millionen Einwohnern Russlands nur 35 Millionen in Sibirien und im Fernen Osten leben, und durch die unterentwickelte Infrastruktur jährlich etwa 10 Prozent der Gesamtwirtschaftsleistung verloren gehen.

Im derzeitigen Hin und Her der Sanktionspolitik gegen Russland, den Befürchtungen vor Chinas wachsender Stärke befördert die neue gegen Russland und China gerichtete Militärdoktrin der USA das engere Zusammenrücken beider Länder. Das ergibt noch keine Bündnispolitik, aber durch ihr jeweiliges hinreichendes Verteidigungspotenzial sichern beide Seiten jedoch ab, dass Washingtons gefährliches Zündeln - auch angesichts der komplizierten Lage auf der Koreanischen Halbinsel - im Zaume gehalten wird. Die Kooperationsstrategie China - Russland wirkt damit einem neuen globalen »kalten Krieg« nachhaltig entgegen.

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