»Das Eisen geht ab«

Ein Sachse macht in Bayern das Hufeisenwerfen populär

  • Lesedauer: 4 Min.

Schuhplattler und Fingerhakeln kennen wir als bajuwarisch. Warum haben wir vom Hufeisenwerfen bisher nichts gehört?

Weil das kein spezielles Produkt des Freistaats ist. Es entstand als Landarbeitersport in Nordamerika, für die Pausen und den Feierabend. Ein Sportskamerad aus Baden-Württemberg, der Willy Räse aus Schwaikheim, sah besagtes Horseshoes 1987 im USA-Urlaub. Er nahm ein Hufeisen als Souvenir mit, und nach der Heimkehr lud er Freunde zu einem Testmatch ein. Alle waren begeistert. Damit war die Disziplin auch in Deutschland angekommen.

Auf den Britischen Inseln erfreut sich ein ähnliches Hobby großer Beliebtheit, das »Quoits«. Gehört die englische Ausgabe zur gleichen Familie wie Horseshoes bzw. Hufeisenwerfen?

Beide Male sind Hufeisen in der Luft. Doch im Quoits gewinnen die jeweils weitesten Würfe, während Horseshoes ein Zielwurf ist. Nach den US-Regeln musst du aus einer Entfernung von exakt 11,27 Metern eine 30 Zentimeter hohe Stange derart geschickt treffen, dass sich das Hufeisen um die Zielmarke legt. Insgesamt haben wir die gleichen Regeln, doch den Wurfabstand haben wir auf neun Meter verkürzt.

Damit ist German Horseshoes etwas leichter als das Original?

Graduell, würde ich sagen. Das Eisenteil wiegt immerhin 1,2 Kilogramm. Wirklich »leicht« ist das für niemanden.

Leben Sie beim Hufeisenwerfen ein bisschen Country-Romantik aus?

Das kommt auf den Verein an; bundesweit haben sich mittlerweile 42 Klubs etabliert. Viele machen neben Hufeisenwerfen zum Beispiel auch den Formationstanz Line Dance. Wir, die »Mooseisen Eichenried«, konzentrieren uns auf den Sport, den wir »Hufnern« nennen.

In den USA gewinnt Horseshoes zunehmend Anhänger, selbst an Colleges werden Wettkämpfe veranstaltet.

Ja, das boomt dort. Inzwischen haben Fans sogar eine »National Horseshoe Pitchers Hall of Fame« eröffnet, in Wentzville, Missouri.

Davon dürften hiesige Hufner erst träumen. Wie reagieren Außenstehende, die hören, dass Hufeisenwerfen für Sie echter Sport ist?

Anfangs sind wir im Ort belächelt worden: »Ach Gott, diese Hufeisenwerfer«, stöhnte mancher genervt. Aber nachdem wir zweimal die Deutsche Meisterschaft holten, hat sich die Stimmung gedreht. Jetzt heißt es einhellig: »Hut ab!«

Gibt es hierzulande auch einen richtigen Turnierbetrieb?

Aber ja! Mit Punktspielen und einem Ratingsystem. Nur wer eine bestimmte Mindestleistung nachweisen kann, darf auf Bundesebene starten.

Wie haben Sie es mit Hufnern - Erfolge hin oder her - geschafft, sich im traditionsbewussten bayerischen Umfeld zu etablieren?

Im süddeutschen Raum war früher das Platteln populär, das ein wenig dem Hufeisenwerfen ähnelte. Deswegen haben die Leute von vorn herein mit unserem Sport kaum gefremdelt, denn den hätte sich ja auch ein schlauer Kopf zwischen Donau und Alpen ausdenken können. Außerdem gilt selbst bei Brauchtumspflege die Liberalitas Bavarica, das heißt, eine besondere Mischung aus »Mir san mir!« und Toleranz sowie Offenheit gegenüber neuen Einflüssen.

Welches Beispiel dafür kennen Sie denn noch so?

Sehen Sie mich an: Ich bin gebürtiger Sachse aus dem Raum Dresden, wohne aber seit 25 Jahren in Bayern und bin bestens integriert (lacht).

Trotz der Sprachbarriere?!

Okay, da wurde schon alles versucht, um mir den sächsischen Dialekt abzugewöhnen. Aber am Ende haben die aufgegeben und gesagt: »Das hat keinen Sinn. Torsten, bleib’ einfach, wie du bist!«

Wie schafft man denn den im Wortsinne trefflichen Wurf?

Reine Gefühlssache! Sie müssen das Hufeisen mit gestrecktem Arm und Schwung von unten heraus auf die Reise schicken. Ganz wichtig: Während des Fluges sollte sich das Eisen unbedingt drehen - und mit der offenen Seite auf die Stange einschwenken.

Im Prinzip sind die Abläufe im Hufnersport doch recht überschaubar: Werfen, Treffer oder nicht, und gut is’. Kann das auf die Dauer nicht langweilig werden?

Oh nein! Stell’ dir vor, das Eisen geht ab, scha-wusch, rotiert, rotiert, jetzt der Sturzflug, sarrirrrrrr, und ta-ta-klack, fette Punkte sind deins, hallo! Des is a Gaudi!

Das Bayerische haben Sie ja doch drauf! Ist die Gaudi aber nicht spätestens dann vorbei, wenn ein Hufeisen seitlich abschmiert?

Das habe ich tatsächlich mal live beobachtet. Ein Hufeisen verfehlte das Ziel, zischte irgendwie durch das übergroße Maschengitter eines Bauzauns und, klirr, haute Biergläser auf einem Tisch um. Die Seidel zerdeppert, das Bier futsch, was bei diesem Vorfall natürlich das Schlimmste gewesen ist! (lacht)

Informationen zu Hufeisenwerfen in Deutschland: www.pro-country-ev.de

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