Chinas Autokönig

Li Shufu arbeitet an einer Neuaufstellung der Pkw-Branche

  • Finn Mayer-Kuckuk, Peking
  • Lesedauer: 4 Min.

Li Shufu hatte als Jungunternehmer den Trick heraus, aus Schrott Gold zu machen. Nach der Schule hatte er sich zunächst als Fotograf selbstständig gemacht. In der Dunkelkammer brachte er sich den Umgang mit Chemikalien bei, die Edelmetalle auflösen. Er sattelte auf das Recycling von Elektroschrott um und machte einige Monate lang gute Geschäfte. Das war Anfang der 80er Jahre, als die Kommunisten private Firmengründungen gerade wieder erlaubt hatten.

Doch Lis Idee fand zu schnell zu viele Nachahmer, so dass sie sich nicht mehr lohnte. Er nahm das angesparte Kapital und fing an, Kühlschränke zu bauen. Seine kleine Fabrik nannte er Geely, das bedeutet »Glück und Gewinn«. Mit enormer Tüchtigkeit und viel Sinn für Technik schuf er sich eine Marktnische.

Inzwischen stellt Li Shufu erfolgreich Autos her - und ist in Deutschland als Käufer eines dicken Anteils an Daimler bekannt geworden: Ende vergangener Woche teilte der schwäbische Konzern mit, dass Li knapp zehn Prozent erworben hat und damit größter Aktionär ist. Damit wird eine Grundfeste der deutschen Wirtschaft asiatischer. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) will den Einstieg »besonders aufmerksam betrachten«.

Der 54-Jährige ist das Gegenteil eines glatten Managers. Vor allem unterscheidet er sich grundlegend von den Chefs chinesischer Staatsbetriebe, die Veränderungen möglichst vermeiden. Und Li ist ein Charakterkopf. Auf Pressekonferenzen fällt er öfter aus der Rolle. Statt einfach seine Erklärung vorzulesen und Antworten vom Spickzettel abzuspulen, improvisiert er und streitet sich zuweilen mit den Fragestellern. So ermahnte er Journalisten, die einen Mitarbeiter bedrängten: »Leute, so geht das nicht. Wir wollen hier in China eine Weltklasse-Wirtschaft aufbauen, dann brauchen wir auch ein Weltklasse-Verhalten.«

Laut dem Hurun-Report steht »Chinas Autokönig« auf Platz zehn der reichsten Chinesen. Sein Vermögen hat er durch Gewinne seines Industriebetriebs erwirtschaftet und nicht durch Übertreibungen am Immobilienmarkt, wie mancher andere chinesische Milliardär. Die Gewinne aus der Firma sprudeln üppig: Geely hat im vergangenen Jahr 1,24 Millionen Autos verkauft, zehnmal mehr als 2005. Bis 2020 sollen es zwei Millionen Stück sein.

Der Aufkauf von Daimler-Aktien wurde kurz nach der Übernahme eines großen Anteils an der Deutschen Bank durch den Touristikkonzern HNA bekannt. Doch während dieser aus Größenwahn heraus handelt, um unter die globalen Konzerne mit den größten Bilanzen aufzusteigen, denkt Li solide und langfristig. Bei ihm befinden sich die Daimler-Aktien in guten Händen.

Der Anteil bringt Li kurzfristig weniger Nutzen, als es scheinen mag: Weder bekommt er Zugriff auf deutsche Technik, noch kann er auf Zusammenarbeit in der Produktion setzen, denn Daimler hat schon zwei Kooperationspartner aus China. Wenn Li aber auf längere Sicht über eine Technik-Partnerschaft sprechen will, wird das Management nach der Investition von über sieben Milliarden Euro offene Ohren haben. Li reiste vergangene Woche gleich zu Gesprächen nach Stuttgart. Ein Thema waren gemeinsame Standards und gemeinsame Beschaffung von Batterien.

Li denkt auch hier in Möglichkeiten für die Zukunft - so wie er damals als Fotograf die Chance sah, mit alten Elektrogeräten Geld zu machen. Für seine erste Kamera hatte ihm sein Vater 100 Yuan geliehen (nach heutigem Umrechnungskurs etwa 13 Euro). Heute wird sein Privatvermögen auf 13 Milliarden Euro geschätzt.

Umweltfreundliches Fahren und hohe Qualität - beides hatte ihn 2010 bereits bewegt, bei Volvo zuzugreifen. Die Integration des schwedischen Herstellers ist inzwischen abgeschlossen und gilt als Erfolg. Jetzt folgt die nächste Stufe des Plans: In zwei Jahren sollen 90 Prozent der Autos seines Unternehmens elektrisch angetrieben sein - auch in Hybriden soll der Benzinmotor nur noch eine unterstützende Rolle spielen. Li hat dafür ein Gemeinschaftsunternehmen für den Bau von Batterien gegründet. Nach seiner Vision sollen Autos zudem elektronischer werden - sie sollen sich mehr wie Handys anfühlen als wie Kraftfahrzeuge. Das werde junge Leute mehr ansprechen, glaubt er. Er will seine Branche damit vor den Angriffen von IT- und Elektrokonzernen schützen.

In seiner Karriere hat Li immer versucht, Gelegenheiten vor seinen Wettbewerbern zu ergreifen, und war enttäuscht, wenn ihm Nachahmer das Geschäft streitig machten. Deshalb entschied er sich als erster privater Anbieter in China, Autos herzustellen: weil diese technisch kompliziert und schwer zu bauen sind. Seine ersten Fahrzeuge waren, anders als mancherorts berichtet, aber keine Kopien von Mercedes-Modellen, sondern Lizenzanfertigungen von Modellen von Daihatsu und Daewoo.

Bei allen Visionen ist Li alles andere als weltfremd. Er ist Mitglied des Nationalen Volkskongresses. Was er macht, hat die Rückendeckung des Staates. Als Vorreiter der Internationalisierung der chinesischen Wirtschaft genießt er den Respekt der Regierenden. Und er ist eine der Erfolgsgeschichten des kapitalistischen Kommunismus chinesischer Prägung: Seine Eltern waren noch Bauern.

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