- Sport
- Fußballbundesliga
Mehr oder weniger leere Plätze
Die Stadien erscheinen immer schlechter besucht, die offiziellen Zahlen indes sind bestens
Es gehört zu den Eigenarten der in Vereinsbesitz übergegangenen Arena von RB Leipzig, dass leere Schalensitze rasch auffallen. Sie sind nämlich in türkis- und himmelblau gehalten, und wenn größere Bereiche nicht befüllt sind, ist das kaum zu übersehen. So wie vergangenen Sonntag bei der 1:2-Heimpleite gegen Schlusslicht 1. FC Köln, als auch deshalb viel Tristesse wie ein bleierner Schleier über der Spielstätte hing, weil nur 31 793 Zuschauer gekommen waren. Jeder vierte Platz war damit leer geblieben. Hat sich schon im zweiten Bundesligajahr ein gewisser Alltag in einer boomenden Stadt eingestellt, die so lange auf erstklassigen Fußball hatte warten müssen?
Immerhin: Die nächsten Heimspiele werden publikumstechnisch ein Erfolg. An diesem Sonnabend gastiert Borussia Dortmund zum Topspiel am Sportforum (18.30 Uhr), dann kommt der FC Bayern (18. März) in die Messestadt. Ursprünglich hatte der Red-Bull-Klub nach Erwerb des für die WM 2006 entworfenen Stadions vor, die Kapazität einmal auf 57 000 Plätze zu erhöhen. Doch dann gab Vorstandschef Oliver Mintzlaff zu bedenken, dass zunächst der Ausbau auf eine Spielstätte für 50 000 Besucher auch ausreiche: »Wir wollen Schritt für Schritt gehen. Natürlich haben wir eine tolle Zuschauerquote, aber es ist auch nicht so, dass wir für jedes Spiel 60 000 Tickets verkaufen könnten.«
Der erst 2009 aus der Taufe gehobene Verein befindet sich bei der Problematik in guter Gesellschaft mit zahlreichen Traditionsklubs. Am krassesten trifft der Zuschauerrückgang den zweiten »Ost-Verein«: Bei Hertha BSC kommen in dieser Saison rund 5000 Fans weniger. Erstmals wird wohl kein Heimspiel der Saison ausverkauft sein. »Unser Zuschauerschnitt sinkt, wenn wir nicht samstags um 15.30 Uhr spielen«, stellte Berlins Trainer Pal Dardai fest. Freitag oder Sonntag würden gerade die Kinder nicht so zahlreich kommen. Und sind im Olympiastadion mehr als ein Drittel der grauen Plastiksitze leer, dann wirkt das große Oval gerade im Winter wie ein trostloser Schauplatz.
Die »Sportbild« hat nun berichtet, dass ein Dutzend Vereine einen Zuschauerrückgang beklagen. Und: 32 Prozent ausverkaufter Spiele sind so wenig wie seit zehn Jahren nicht mehr. Nur der FC Bayern vermeldet Heimspiel für Heimspiel die Vollauslastung von 75 000 Zuschauern. Beim Hamburger SV, FSV Mainz 05 und FC Augsburg war das Stadion bislang nur ein einziges Mal ausverkauft. Immerhin: Der HSV hat für sein samstägliches Hochrisikospiel gegen Mainz im Vorverkauf 44 000 Tickets abgesetzt, rechnet letztlich mit 46 000 Augenzeugen fürs »Abstiegsendspiel«.
Also alles halb so schlimm? Das ist zumindest der Tenor bei der Deutschen Fußball Liga (DFL). Denn: Die objektiven Zahlen widersprechen dem subjektiven Eindruck. Demnach pilgerten in der Hinrunde im Schnitt 43 429 Fans in die Stadien. Das zweitbeste Hinrundenergebnis der Bundesliga-Geschichte nach 2011/12 (44 345). Und das Gesamtergebnis von 6,64 Millionen Besuchern nach der ersten Halbserie bedeutet einen Zuwachs von acht Prozent gegenüber der vergangenen Saison.
Einfache Erklärung: Die Zugpferde VfB Stuttgart und Hannover 96 mit ihren großen Arenen haben den FC Ingolstadt und Darmstadt 98 mit ihren kleinen Stadien ersetzt. So oder so: Keine Liga in Europa hat solch einen Zulauf. DFL-Chef Christian Seifert stellte kürzlich in Frankfurt bei der Vorstellung des Liga-Reports heraus, dass sich die No-Show-Rate, also die Zahl nicht genutzter Tickets, nicht erhöht habe. Während die DFL 91 Prozent verkaufter Karten vermeldet, kam eine Studie des Center for Sports and Management (CSM) der Wirtschaftsuniversität Düsseldorf auf 82 Prozent genutzter Karten.
Gerade Dauerkartenkunden neigen dazu, gerne die Topspiele gegen Bayern, Dortmund oder Schalke zu besuchen, aber bei Partien gegen Augsburg, Mainz oder Freiburg auch mal zuhause zu bleiben. In Hamburg oder Wolfsburg müssen Stammbesucher daher mindestens zehnmal in der Saison erscheinen, sonst erlischt der Anspruch aufs Saisonticket.
Fakt ist, dass die Bedeutung der Zuschauereinnahmen für die Klubs immer weiter zurückgeht. Vorbei die Zeiten wie die 70er und 80er Jahre, in denen die Ticketerlöse eine elementare Säule bildeten. Die Bundesliga nahm zwar in der Spielzeit 2016/2017 immerhin 503,8 Millionen Euro auf diesem Sektor ein, die machten aber nur noch knapp 15 Prozent am Gesamtertrag aus. Mehr als die Hälfte der Einnahmen steuern Werbung und mediale Verwertung bei. Dennoch sind leere Plätze ein Alarmsignal, denn sie sind nicht stimmungsfördernd fürs Stadion und so nicht imagefördernd fürs Fernsehbild.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.