Quasi dauerhafte Nebenfinanzierung

Thüringer Pleitekommunen werden noch lange auf Hilfen angewiesen bleiben

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Fachleute im Freistaat rechnen damit, dass Thüringens Pleitekommunen auch in den nächsten Jahren finanzielle Sonderhilfen in beträchtlicher Höhe vom Land brauchen werden - und sich die damit seit Jahren geleisteten Zahlungen an die kreisfreien Städte Suhl, Eisenach und Gera, aber auch an kleinere Gemeinden wie Schlotheim, Bleicherode oder Berga/Elster nicht als Hilfe zur Selbsthilfe, sondern als quasi dauerhafte Nebenfinanzierung erweisen. So geht aus einer Übersicht der Landesverwaltung hervor, dass man beim Freistaat damit rechnet, dass Suhl von 2018 bis 2022 mehr als 50 Millionen Euro Sonderhilfen insgesamt brauchen wird. Für Gera wird im Dokument zwischen 2018 und 2020 ein Sonderfinanzbedarf von etwa zehn Millionen Euro prognostiziert, für Eisenach fast sieben Millionen.

Alle drei kreisfreien Städte haben wie zahlreiche andere Kommunen im Land schon in den vergangenen Jahren Sonderhilfen in Millionenhöhe erhalten; Suhl 8,2 Millionen Euro allein 2017, wie aus dem Dokument hervorgeht. Beantragt hatte die Stadt sogar fast elf Millionen. Eigentlich sollen die Hilfen des Landes - im Fachdeutsch »Bedarfszuweisungen« - in solchen Fällen dazu dienen, Kommunen so aufzustellen, dass sie mittel- und langfristig ohne Sonderhilfen auskommen. Da sich schon in den vergangenen Jahren abgezeichnet hatte, dass diese Ziel in der Realität verfehlt wird, war das eines der zentralen Argumente für eine Gebietsreform gewesen. Inzwischen hat sich Rot-Rot-Grün nach langen Diskussionen jedoch entschlossen, auf eine Gebietsreform unter Zwang zu verzichten.

Ein Sprecher des Thüringer Innenministeriums bestätigte unserer Zeitung die Echtheit des Dokuments. Es handele sich um eine Liste, die im Landesverwaltungsamt für interne Planungen erstellt worden sei, sagte er.

Der Sprecher des Innenministeriums wie auch der kommunalpolitische Sprecher der LINKEN im Thüringer Landtag, Frank Kuschel, erklärten, diese Zahlen zeigten, wie wichtig es besonders für Kommunen mit seit Jahren andauernden finanziellen Schwierigkeiten sei, sich noch in dieser Legislaturperiode einen Fusionspartner zu suchen - so wie Eisenach das bereits getan hat, indem die Stadt auf eine Fusion mit dem Wartburgkreis hinarbeitet.

Kuschel erklärte, er setze darauf, dass die seit Jahren notwendigen hohen Bedarfszuweisungen an »immer wieder die gleichen« Städte, Gemeinden und Landkreise nun auch innerhalb der kommunalen Familie dazu führen würden, dass dort der Druck auf die Pleitekommunen im Freistaat hin zu mehr Fusionen wachsen werde. Immerhin fehle das Geld, das als Sonderhilfen an diese Kommune fließe, den übrigen Kommunen im Land.

Nach Angaben von Thüringens Staatssekretär für die Gebietsreform, Uwe Höhn (SPD), sind die Bedarfszuweisungen ein kleiner Teil der Finanzausgleichsmasse, die für notleidende Kommunen zurückgehalten werden. Insgesamt seien dafür 2017 etwa 47 Millionen Euro im Haushalt des Landes veranschlagt gewesen.

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