Rumoren hinter der Fassade
Thüringen: Weimars Bauhaus-Museum sollte Höhepunkt des Bauhaus-Jubiläums werden - davon ist es weit entfernt
Am Aufzugsschacht der Weimarhalle hängt ein frisches Plakat mit der Aufschrift »Wir wollen das Museum«. Darauf zu sehen ist ein Quader mit der Aufschrift »Bauhaus«, auf den ein Smiley gemalt ist. Gegenüber steht der eingerüstete Rohbau des neuen Bauhaus-Museums, der Anfang April kommenden Jahres in der thüringischen Stadt eröffnet werden soll. Man möchte meinen, dass der jahrelange Streit um »Sein oder Nichtsein« des Bauhaus-Museums im Angesicht sichtbarer Tatsachen längst ein Ende gefunden hat. Doch gerade dieser Tage hat die Debatte neuen Schwung bekommen
Zur Jahrespressekonferenz der Klassik-Stiftung in der vergangenen Woche informierte Stiftungspräsident Hellmut Seemann über »große Probleme« mit der Glasfassade. Er führte den Farbton an, der nicht den Vorstellungen entsprechen würde und Schwierigkeiten, die bei Wartungsarbeiten der Hinterleuchtung auftreten könnten. Deshalb hat die Klassik-Stiftung als Bauherr bei Architektin Heike Hanada eine Fassade ohne Glas in Auftrag gegeben, die nun die Gemüter aufs heftigste erregt. Denn statt einer Außenhaut, die durch opak satinierte Glasstreifen strukturiert ist, soll das Museum nun eine zweite Hülle aus grauem Sichtbeton erhalten, der an einigen Stellen durch horizontale LED-Bänder beleuchtet wird.
Kritiker meinen bis heute, dass auch die ursprünglich geplante helle Lichtfassade nicht dem Bauhausgedanken entspricht. Doch versprühte sie gegenüber dem in direkter Nachbarschaft befindlichen Gauforum eine Leichtigkeit, Strahlkraft und Lebendigkeit. Mit der beabsichtigten Betonumhüllung ist das nun passé. Und im Vergleich mit dem Bauhaus-Museum erfährt die NS-Architektur eine ungewollte Umwertung - das dreigeschossige Gauforum in seinem dunklen Rot wirkt plötzlich weniger monumental als der schwere Kubus des Bauhaus-Museums daneben, in dessen riesiger Eingangstür der Besucher auch noch auf Zwergengröße schrumpft.
Was die wirklichen Gründe für die Probleme mit der Glasfassade sind, bleibt vorerst im Dunkel. Doch zeigt sich an der Vorgehensweise mit einem alternativen Entwurf, dass offenbar schon länger an diesem Thema gearbeitet wurde. Die ortsansässige Tageszeitung »Thüringer Allgemeine« hatte bereits im Dezember darüber berichtet.
Mit der Ankündigung ist aber noch nicht entschieden, welche Fassade gebaut wird. Darüber muss der Stiftungsrat befinden, in dem auch die Fördermittelgeber von Bund, Land und Stadt vertreten sind. Laut Seemann liegt die Ursache für den Fassadenwirrwarr nicht im Finanzbudget, das auf 22,6 Millionen Euro veranschlagt ist. Selbst wenn sich die Summe durch unvorhersehbare Nachträge erhöht, ist der Bund offenbar bereit, entsprechend aufzustocken. Generell gilt: Das Bauhaus-Museum hat höchste Priorität. Egal, wie die Entscheidung ausgeht, eines hat der Präsident der Klassik-Stiftung schon unmissverständlich erklärt: »Weder die Glasfassade noch jede andere Fassade ist am 5.4.2019 fertig.« Doch eröffnen soll das Haus an diesem Tag.
»Wir sind! Wir wollen! Und wir schaffen!« schrieb Oskar Schlemmer im Manifest zur Bauhaus-Ausstellung 1923. Der Bauhausmeister war überzeugt, dass in Weimar genug geistiger Sachverstand waltet, die neue Bewegung als einen Aufbruch wahrzunehmen. Dafür wollte das Bauhaus unter Walter Gropius den Grundstein legen und weitere Bausteine vorbereiten. Dass der Traum vom »Kunst-Bau des Menschen« nur wenige Jahre dauern würde und dass die Idee mit allen, die daran glaubten, bereits 1925 Weimar verlassen und nach Dessau weiterziehen musste, bremste nicht den Aufbruchsgeist.
Bei den Erbe-Verwaltern ist davon wenig zu spüren. Längst hat sich die Klassik-Stiftung vom »Kosmos Weimar« verabschiedet, dessen Zentrum das Bauhaus-Museum bilden sollte. Der Bund stellte für diesen Masterplan mit Weltkulturerbe-stätten wie dem Goethehaus 45 Millionen Euro bereit. Das Stadtschloss, das nach umfassender Sanierung 2017 eröffnen sollte, wird Mitte 2018 geschlossen. Die Wiedereröffnung ist für 2023 geplant.
Auch das Neue Museum in der Klassikerstadt ist inzwischen geschlossen. »Wir sind im Übergang von einer Zeit der frühen Moderne in eine Zeit, in der wir überlegen, was das zu bedeuten hat«, erklärt Seemann etwas kryptisch diese Schließung und den Wegfall einer größeren eigenen Ausstellung. Dann aber Klartext: Die ganze Kraft der Klassik-Stiftung werde für die kulturelle Infrastruktur des Bauhaus-Museums gebraucht.
Im »Jahr des Übergangs« wird deshalb auch der 200. Geburtstag von Großherzog Carl Alexander (1818-1901) nur mit der Schau »Chrysantheme und Falke« begangen (4. Mai bis 1. Juli). Darin geht es vor allem um die Beziehungen des Weimarer Fürstenhauses zu Japan. Die großen Ausstellungen mit bedeutenden Beständen aus den Weimarer Sammlungen aber finden in München (»Du bist Faust« - 23. Februar bis 29. Juli) und in Hamburg statt. In der Elbmetropole wird die Schau »Heinrich Reinhold. Der Landschaft auf der Spur« (7. Dezember bis 10. März 2019) zu sehen sein.
Verabschiedet sich die Klassik-Stiftung von ihrer eigentlichen Aufgabe? Die nächsten Wochen werden zeigen, wie der Sprung in die »Weimarer Moderne« aussieht.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.