Ein Spiegel der Unsicherheit in der Welt

Die 54. Münchener Sicherheitskonferenz im Zeichen scharfer Kontroversen

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 2 Min.

Zum 54. Mal schon trafen sich Politiker in München zur sogenannten Sicherheitskonferenz, einem informellen Forum, aber gerade deshalb gern genutzter Gelegenheit, die Standpunkte auszutauschen, vor und hinter der Bühne. Von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hieß es, er habe möglicherweise seine Abschiedsrede gehalten.

Andere waren zum ersten Mal da - wie Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, der zwar die »Macht Brüssels« beschränken will, aber forderte, die EU müsse wieder stärker an einem Strang ziehen; oder Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der ein vermeintliches Trümmerteil einer Drohne in die Höhe hielt und scharfe Worte gegen Iran ins Auditorium schleuderte. Teherans Außenminister, der zu dem Zeitpunkt noch nicht im Saal war, nannte dies später »Zirkus«. Direkt miteinander gesprochen haben beide nicht.

Während Russland mit seinem Außenminister Sergej Lawrow vertreten war und »vor neuem Faschismus in Europa« warnte, stufte Washington die Wertigkeit seiner Präsenz weiter herab. War im Vorjahr noch Donald Trumps Vize Mike Pence in München, so schickte er diesmal nur noch seinen Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster. Verteidigungsminister James Mattis war zwar im Tagungshaus, mied aber die Bühne.

McMasters Ausführungen zu Europa, der Ukraine und der Lage in Nahost lassen sich so auf einen Nenner bringen: Die Russen sind an allem schuld. Diese Ansicht der US-Vertreter teilte so unverfälscht sonst nur noch Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Er befand, dass »Deutschland und Europa einen leichtfertigen Umgang mit ihrer Sicherheit« übten und warf mit Blick auf Trump Berlin »unangebrachten Antiamerikanismus« vor. Europa brauche endlich »more steel tanks than think tanks« (»mehr Panzer als Denkfabriken«).

Kopfschütteln löste bei vielen auch Morawieckis türkischer Amtskollege Binali Yıldırım aus. Er verteidigte nicht nur den militärischen Einfall der Türkei gegen die Kurden in Nordsyrien. Yıldırım warf Deutschland, den USA und anderen NATO-Partnern ob deren vorsichtiger Stellungnahmen zugunsten der Kurden »Unterstützung von Terroristen in Syrien« vor. Für unfreiwillige Komik sorgte Yıldırım, als er sich beklagte, dass sich Terroristen in seinem Hotel befänden. Als solchen hatte er den ehemaligen Grünenchef Cem Özdemir ausgemacht, der im selben Hotel wohnte.

Nicht deshalb zeigte sich eine große Zahl der Beobachter von der Konferenz enttäuscht. Aufgrund vieler beinharter Redeattacken machte das Unwort von der »Unsicherheitskonferenz« die Runde. Konferenzgastgeber Wolfgang Ischinger, ein ehemaliger Staatssekretär im Außenamt, zog am Sonntag ein düsteres Fazit. Man habe gehört, was in der Welt falsch laufe. Aber nicht, wie man sie verbessere, zitierte ihn dpa.

Seiten 4 und 5

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