Videoüberwachung hat wenig gebracht
In Potsdam, Frankfurt (Oder) und Guben hatte die Polizei im Jahr 2016 öffentliche Plätze mit Kameras im Blick
Zu den Reaktionen der Polizei auf gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Flüchtlingen und Einheimischen in Cottbus gehört die permanente Videoüberwachung. Über die Kontrolle des Vorplatzes der Stadthalle sagte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD): »Es ist allerdings geplant, die Videoüberwachung in Cottbus längerfristig beizubehalten. Das ist ein Teil des Sicherheitskonzeptes für die Stadt wegen der jüngsten Vorfälle in Cottbus an dieser zentralen Stelle.«
Diese Äußerung machte Schröter kürzlich, als er im Landtag über die Datenerhebung im Rahmen des Polizeigesetzes sprach. Dieses Gesetz erlaubt der Polizei unter bestimmten Umständen, Daten zu erheben, die eigentlich dem Datenschutz unterliegen. Dazu zählen die Videoüberwachung, die Beobachtung von Wohnungen, das Abhören von Telefonanrufen und die Abfrage von Telefonverbindungen, außerdem die automatische Erfassung von Autokennzeichen. Dem Innenminister zufolge wurde im Jahr 2016 in Potsdam, Frankfurt (Oder) und Guben von der Möglichkeit der Videoüberwachung Gebrauch gemacht. Immerhin 279 Mal wurde in dieser Zeit über das Auskunftsersuchen bei Mobilfunkbetreibern der Standort eines Mobiltelefons ermittelt. »Zur Gefahrenabwehr«, wie Schröter versicherte. »Hauptsächlich ging es um schnelle Hilfe bei einer Selbstmordgefahr oder um die Suche nach Vermissten.«
Das umstrittene Mittel der automatischen Kennzeichenerfassung kam 73 Mal zum Einsatz. Ein Erfolg war nicht zu vermelden. »Von den gesuchten Fahrzeugen konnte jedoch in diesem Jahr keines festgestellt werden, weil in den meisten Fällen nach vermissten oder suizidgefährdeten Personen gesucht wurde, die häufig bereits vorher anderweitig gefunden werden konnten.«
Schröter unterstrich, die Videoüberwachung habe in den meisten Fällen zu einem Rückgang der Straftaten geführt - »zum Teil sogar entgegen dem Entwicklungstrend der näheren und weiteren Umgebung.« Der Minister berief sich auf Fachleute, wonach die Videoüberwachung durchaus effektiv sei »und ein wichtiges, zum Teil sogar unverzichtbares Mittel der zeitgemäßen Polizeiarbeit«.
Damit widersprach er ausdrücklich der Landtagsabgeordneten Ursula Nonnemacher (Grüne). Die sagte, es sei zu Genüge bekannt, »dass eine abschreckende Wirkung durch Videokameras nicht nachweisbar ist.« Gegner dieser Maßnahme führen ins Feld, dass auf eine solche Überwachung konkreter Plätze meist eine Verdrängung von Kriminalität folge, dies heißt, Straftaten kommen dann an anderen Orten in der Nähe, die nicht videoüberwacht werden, umso gehäufter vor. Nonnemacher erklärte, die Datenerhebung durch die Polizei dürfe in ihrem Nutzen nicht überschätzt werden. In keinem Fall würde sie die klassische Polizeiarbeit ersetzen.
Der Abgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg (LINKE) lehnte die Videoüberwachung zwar nicht rundweg ab. Er verspricht sich aber nicht allzu viel davon. Man müsse sehr darauf achten, »dass Videoüberwachung nicht zu einer deutlichen Einschränkung von Grundrechten im Land Brandenburg führt«. Zur Videoüberwachung am Vorplatz des Potsdamer Hauptbahnhofs erklärte Scharfenberg: »Ich glaube, dass die abschreckende Wirkung nicht besonders hoch ist.« 2016 sei die Zahl der Straftaten dort ähnlich hoch wie 2001 gewesen, als die Videoüberwachung begann. Der Politiker erinnerte daran, dass es angesichts der seinerzeit geschaffenen vielfältigen Eingriffs- und Ausspähmöglichkeiten »die Sorge der exzessiven Anwendung« gegeben habe. Das habe sich immerhin nicht bewahrheitet. Der »große Lauschangriff«, wie er in den 1990er Jahren als Mittel gegen organisierte Kriminalität ermöglicht wurde, sei in Brandenburg seither nicht ein einziges Mal unternommen worden.
Der Abgeordnete Björn Lakenmacher (CDU) sprach sich dafür aus, die Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten durch automatisierte Verfahren weiter zu entwickeln. »Ich weiß, dass der Minister diesen Weg gerne gehen würde. Aber der kleine Koalitionspartner, die LINKE, wirft ihm immer wieder Knüppel zwischen die Beine«, beschwerte sich Lakenmacher. Seinem Parlamentskollegen Hans-Jürgen Scharfenberg warf er vor: »Sie sind der personifizierte Verhinderer.«
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