Wer greift wen in Syrien an?

Wachsende Spannungen vor Tillerson-Besuch in Ankara

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Am heutigen Donnerstag trifft US-Außenminister Rex Tillerson, der an der Irak-Geberkonferenz teilgenommen hat, in der Türkei ein. Die Spannungen zwischen beiden NATO-Partnern sind derzeit enorm. Der Grund liegt vor allem in Syrien.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, der seine Armee am 20. Januar über die Grenze schickte, um die in Syrien gegen den Islamischen Staat (IS) siegreichen, weil von den USA unterstützten kurdischen Einheiten zu schwächen, blies sich zwei Tage vor dem Tillerson-Besuch auf. Vor der Fraktion der Regierungspartei warnte er die US-Truppen davor, sich dem Einmarsch türkischer Truppen in die syrische Stadt Manbidsch zu widersetzen. Der Ort liegt im Gouvernement Aleppo nahe der türkischen Grenze.

Falls die Amerikaner nicht hören wollten, müssten sie mit einer »osmanischen Ohrfeige« rechnen. Natürlich werde man nicht absichtlich auf sie zielen, doch wolle man jeden Terroristen, »den wir sehen, vernichten und ausmerzen«. Dann würden die US-Soldaten einsehen, dass es für sie besser wäre, wenn sie sich nicht neben denen aufhielten, »denen sie auf die Schulter klopfen«.

Vor einer Woche bereits war Paul Funk, der oberste US-General der Koalition im Kampf gegen den IS, demonstrativ an die mögliche »Kontaktstelle« gefahren. Er kündigte den Verbleib von US-Truppen in Manbidsch an und warnte: »Wenn ihr uns angreift, werden wir hart reagieren. Wir werden uns verteidigen.«

Wie es in den kommenden Tagen weitergeht, ist eine politische Frage. In deren Kern geht es darum, ob die USA weiter zu »ihren« Kurden stehen. Das zu erwarten, wäre naiv.

Dass US-Militärs aber durchaus hart zuschlagen können, wenn sie oder unmittelbare Verbündete angegriffen werden, ist allen in Syrien Kämpfenden bewusst, denn im vergangenen Jahr griffen die Amerikaner mehrfach regierungsnahe Milizen an. Erst in der vergangenen Woche bombardierten US-Jets in der Provinz Deir ez-Zor regierungstreue Einheiten. Die hatten angeblich ein Hauptquartier der Syrischen Demokratischen Kräfte angegriffen, mit denen die USA verbündet sind. Die Agentur Bloomberg berichtete danach von 100 bis 200 getöteten Russen. Bei der »New York Times« gab es »womöglich Dutzende« tote »russische Kämpfer«. Moskau wie Washington dementierten umgehend. Zu keinem Zeitpunkt wäre ein »direkter Konflikt« zwischen »den Staaten« möglich gewesen. Die getöteten zwei - andere Quellen sprechen von vier - Russen gehörten zu einer privaten Militärfirma, waren also Söldner. Offenkundig ging es bei den Kämpfen um ein Ölfeld.

Nun meldete auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Bombardierungswünsche an - »sollte das syrische Regime verbotene Chemiewaffen eingesetzt haben«. Derzeit lägen dafür aber keine gesicherten Beweise vor. Dass es nach dem jüngsten Abschuss einer iranischen Drohne und eines israelischen Kampfjets nahe dem Golan nicht zu einer Zuspitzung der Lage gekommen ist, sei, so berichten israelische Quellen, nur energischen Telefonaten zu danken, die Russlands Präsident Wladimir Putin mit allen Beteiligten geführt hat.

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