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Flüchtlingshelfer werfen Sachsens Innenminister Populismus vor
Initiativen kritisieren angekündigte Verschlechterungen für Geflüchtete als »unnötig und unmenschlich«
Dresden. Flüchtlingsinitiativen aus mehreren sächsischen Städten haben die Vorstöße von Landesinnenminister Roland Wöller (CDU) zum Umgang mit Asylbewerbern kritisiert. In einem am Montag veröffentlichten offenen Brief schreiben die Initiativen zum Vorschlag einer Wohnsitzauflage für anerkannte Asylbewerber und zu den Plänen, Flüchtlinge mit geringer Anerkennungsquote länger in Erstaufnahmeeinrichtungen unterzubringen: »Es braucht diese Maßnahmen nicht.« Die Vorschläge seien »in ihrer populistischen Manier keine vernünftige Politik« und ein Hemmnis für die Integration, so die Autoren.
Wöller hatte der Chemnitzer »Freien Presse« gesagt: »Wir wollen, dass die anerkannten Flüchtlinge in den Landkreisen wohnen bleiben, denen sie zugewiesen wurden.« Dadurch seien die Erfolgsaussichten für die Integration »am größten, weil planbar«, so Wöller. Im Gegenzug werde sich die Landesregierung dafür einsetzen, »Flüchtlinge mit einer geringen Anerkennungsquote länger in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes zu belassen«, fügte er hinzu. Ausnahmen sollen demnach etwa bei der Aufnahme einer Berufstätigkeit an einem anderen Ort möglich sein.
Die Initiativen kritisierten die geplante Wohnsitzauflage als »unnötig und unmenschlich«. Aus integrationspolitischer Sicht sei das Vorhaben »bedenklich«. Mit Blick auf die längere Aufenthaltsdauer in Erstaufnahmen schrieben die Unterzeichner an Wöller: »Wie Sie wissen, entbehrt die Kategorie 'schlechte Bleibeperspektive' jeglicher rechtlichen Grundlage.« Das Vorhaben bedeute eine »Abkehr von der dezentralen Unterbringungspolitik« und mache ein selbstbestimmtes Leben der Betroffenen unmöglich, hieß es weiter.
Weiter kritisierten die Unterzeichner ein mangelndes Gewaltschutzkonzept in Sammelunterkünften. Die derzeitige Beschulungspraxis von Flüchtlingskindern sei »rechtlich fragwürdig«. In dem brief heißt es, für Kinder aus Erstaufnahmeeinrichtugen greife derzeit »keine grundgesetzlich garantierte Schulpflicht«. Zudem gebe es »keine staatlich finanzierte, unabhängige und flächendeckende rechtliche Beratung für alle in Sachsen ankommenden Menschen«. Dadurch müssten Geflüchtete lange Wege in Beratungsstellen zurücklegen, so sie überhaupt von ihnen wüssten.
Zu den insgesamt 15 Unterzeichnern des Appells zählen der sächsische Flüchtlingsrat sowie Initiativen und Vereine aus Dresden, Leipzig, Bautzen, Freiberg und Pirna. epd/nd
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