Um die Ecke gedacht

Die Rechtspopulismus-Kritik-Ausstellung »rechts« im Haus am Lützowplatz ist gut gemeint

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Aufkleber mit der Aufschrift »rechts« in alten Lettern pappt an der Glastür der Galerie im Haus am Lützowplatz. Er ist rechts angebracht, auf Höhe des Türgriffs, dort, wo sonst »ziehen« oder »drücken« steht. Hier wird man nach rechts geleitet. Rechts ist, so stellt sich später heraus, noch weiter hinten. Um in die Ausstellung mit dem Titel »rechts« zu gelangen, muss man die eigentlichen Ausstellungsräume verlassen und quer über den Hof laufen. Man landet dann in drei kleinen und verwinkelten Räumen, in denen das Weiß der Wandfarbe schon grau geworden ist.

Hier hat der Berliner Kunstkritiker und Kurator Raimar Stange die Werke seiner Ausstellung »rechts« ausgebreitet. Die verfolgt einen guten Zweck. Sie will sich, laut Text an der Wand, in »unterschiedlicher Weise kritisch mit dem derzeit fast schon weltweit aktuellen Problem des Rechtspopulismus auseinandersetzen«, dabei Wege »zu einer intelligenten Kritik am Rechtspopulismus« weisen und fragen, »inwieweit die Kunst gelungene Beiträge zu einem intelligenten linken Populismus leisten kann, zu einem Populismus also, der eine adäquate Antwort auf den grassierenden Rechtspopulismus sein könnte«.

Ein tolles Vorhaben, eine Art Agitprop also, die nicht nach Agitprop ausschaut, Rechtspopulismus lächerlich macht, ohne dabei selbst dümmlich zu wirken, und auch noch Kunst ist. Toll.

Nun ja. Die einzige Arbeit, die sich mit der »Feschheit« des Faschismus auseinanderzusetzen versucht, und »fesch« und »fasch-« auch noch ins Bild malt, ist eine Strandszene von Anna Meyer. »Club Med« ist hier verrührt mit »Kraft durch Freude«. Urlauberschaft schottet sich mittels Zäunen und Verbotsschildern vor anlandenden Migranten ab und untersagt jenen - aus offenbar rein ästhetischen Gründen - auch das Untergehen. Neckisch immerhin ist, dass sich aus einer dunklen Regenwolke ein Vogel löst, der auf den ersten Blick die Friedenstaube sein kann, auf den zweiten sich aber als Twitter-Logo entpuppt. Ja, ja, die Filterblasen. Aber soll so »intelligenter linker Populismus« gehen?

Verwirrend wird es mit den Dokumenten von Peter Friedls ironischer Aktion »I survived the german pavilion«. Der österreichische Aktionskünstler hing während der Biennale 1993 400 Plakate mit dieser Überlebensbotschaft in Venedig aus. Sie gerieten in so hübsche Nachbarschaft wie zu Werbeplakaten des Stils: »Nimm 3, zahl für 2«. Friedl hatte die Plakate in ironischer Distanzierung zu Hans Haackes belehrender »Germania«-Installation im Deutschen Pavillon selbst produziert. Eine Aktion, die gegen dezidiert anti-rechte Aufklärungskunst gerichtet war, taucht nun als Bestandteil einer Ausstellung zur »Kritik am Rechtspopulismus« auf? Sehr um die Ecke gedacht.

Bei Daniel Knorrs ein wenig angegangener Flagge muss man ebenfalls ein »Handbuch Kunst« bemühen. Sie ist offenbar Bestandteil seiner Flaggeninstallation vor der Nationalgalerie im Rahmen der BerlinBiennale 2008. Die Flaggen waren da nicht nationalstaatliche Zeichen, sondern setzten sich aus den Farbkombinationen von rechten Burschenschaften zusammen. Wer warum und wann die jetzt ausgestellte Flagge mit einer rötlich-braunen Substanz befleckte, wird nicht angemerkt.

Zum Glück liegt im mittleren der drei Räume noch ein Booklet des Zentrums für politische Schönheit aus. Im offiziellen Duktus des Bayrischen Kultusministeriums ist ein Lehrheft zum Widerstand der »Weißen Rose« produziert. Im Vorwort werden Innenminister Joachim Herrmann edle Diktatorenmordabsichten in den Mund gelegt: »Unsere Landesregierung hat versucht, mit Diktatoren wie Putin oder Erdoğan ins Gespräch zu kommen. Vergeblich. nach dem ›Trump-Schock‹ fand in der Staatskanzlei ein Umdenken statt: Zuletzt reiste unser Ministerpräsident deshalb mit vergifteten Pralinen nach Russland.«

Das Thema Tyrannenmord wird in den hinteren Seiten der Broschüre ausführlich diskutiert. Auch eine Bemerkung vom Philosophen John Locke findet sich, in der er ausführt, dass eine Regierung nur legitim sei, »wenn sie die Zustimmung der Regierten besitzt und die Naturrechte Leben, Freiheit und Eigentum beschützt«. Nun kann man beim letzten »Naturrecht« skeptisch die Gleichung »Eigentum ist Diebstahl« einwerfen. Lockes Schlussfolgerung, in der Diktion des Zentrums für politische Schönheit, ist aber bemerkenswert: »Seien diese Bedingungen nicht erfüllt, hätten die Untertanen ein Recht auf Widerstand gegen die Regierenden.«

Man wünscht diesem Heft weitere Verbreitung, auch über den Radius bayerischer Schulen, und erst recht über den Radius dieser so gut gemeinten wie wenig gut gemachten Ausstellung hinaus.

»rechts«, bis zum 4. März im Haus am Lützowplatz, Lützowplatz 9, Tiergarten

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