Ein Nicht-Ökonom als Notenbankchef

Donald Trumps Wunschkandidat Jerome Powell dürfte die Zinsen anheben und die Regeln für die Finanzindustrie lockern

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.

Donald Trumps Wunschkandidat für den Posten des Zentralbankchefs ist im US-Senat problemlos durchgekommen: Jerome Powell wird der neue Chef der Zentralbank. Mit 84 zu 13 Stimmen wurde in der vergangenen Woche seine Berufung durch den US-Präsidenten bestätigt. Damit trägt die mächtigste Notenbank der Welt den Stempel von Donald Trump.

Powells Berufung ist einzigartig in der langen Reihe der Fed-Chefs, denn er ist kein ausgebildeter Ökonom. Er ist Jurist, arbeitete als Anwalt für die Carlyle Group, eine Private-Equity-Finanzgesellschaft, die gerne bekannte Ex-Politiker wie George Bush sen. oder John Mayor als Lobbyisten beschäftigt und gute Kontakte zum Kongress pflegt.

Von Powell wird allgemein erwartet, dass er geldpolitisch eher für Kontinuität im Amt steht. Barack Obama war es, der den heute 64-Jährigen im Jahr 2012 in den Gouverneursrat, das Leitungsgremium der Fed, berief. Powell unterstützte die Politik seiner Chefs Ben Bernanke und dann Janet Yellen. »Vieles von dem, was er weiß, kommt von diesen beiden«, sagt David Wessel von der Brookings Institution, einer unparteiischen Denkfabrik in Washington. »Wenn du ein Zentralbanker sein willst, dann sind das ziemlich gute Lehrer.«

Allerdings wird erwartet, dass Powell das unter Obama beschlossene Dodd-Frank-Gesetz, das nach der Finanzkrise den Bankensektor 2008 strenger regulierte, aufweichen könnte. Die Republikaner kritisieren, es habe zu viele Beschränkungen für die Wall Street gebracht und damit das Wachstum eingeschränkt. Und Powell äußerte sich im November bei der Anhörung im Senat leicht kritisch über die Finanzreform. Republikaner, die bereits an einer Gesetzesnovelle arbeiten, begrüßten den Auftritt: »Meine Hoffnung ist, dass Jerome Powell weniger ein Aktivist mit einer Ideologie ist, sondern anerkennt, dass die Federal Reserve als Regulator eindeutig der Autorität des Kongresses unterliegt«, sagte der Abgeordnete Warren Davidson aus Ohio. Er hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, um die Unabhängigkeit der Fed einzudämmen. Aus seiner Sicht hat die Zentralbank mit ihren Wertpapierkäufen im Umfang von 3,5 Billionen Dollar ihre Grenzen überschritten. Eine der Hauptaufgaben Powells als Fed-Chef wird es nun sein, diese angekauften Papiere wieder abzustoßen.

Die andere Hauptaufgabe umfasst die schrittweise Anhebung der Leitzinssätze. Sein Zeitplan umfasst angeblich drei Änderungen in diesem Jahr. Dafür hat er gute Gründe: Nach dem Gesetz hat die Fed ein doppeltes Mandat: die Beschäftigung zu maximieren und gleichzeitig die Inflation auf etwa zwei Prozent zu begrenzen. Die aktuelle Arbeitslosenquote in den USA liegt bei rund 4,1 Prozent, was in etwa dem entspricht, was viele Ökonomen als Vollbeschäftigung bezeichnen würden. Auch waren die Lohnerhöhungen in den letzten Jahrzehnten gering und die Inflation lag trotz Geldmengenausweitung kon-stant unter zwei Prozent.

Diese Tatsache hat einige Fed-Gouverneure dazu veranlasst, öffentlich zu fordern, dass die Zentralbank die Zinsen niedrig halten sollte, um Wirtschaftsaktivität anzuregen. Dies widerspricht den Überzeugungen Powells - für geldpolitische Kontroversen in den USA gibt es weiterhin Zündstoff .

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