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Eine Straße für Lottchen

Zum 90. Geburtstag wird Charlotte von Mahlsdorf posthum eine ganz besondere Ehre zuteil

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Am 18. März 2018 wäre Charlotte von Mahlsdorf 90 Jahre alt geworden. Der Förderverein Gutshaus Mahlsdorf e.V., der ihr Erbe bewahrt, der Bezirk Marzahn-Hellersdorf und viele Freunde und Sympathisanten werden dieses Jubiläum gebührend begehen. Das ganze Wochenende wird Charlotte von Mahlsdorf gewidmet - mit einem Tag der Offenen Tür in ihrem Gründerzeitmuseum und vielfältigen Veranstaltungen. Eine besondere Ehre erweist ihr der Bezirk: Am 17. März erhält eine Privatstraße im neuen Wohngebiet am Hultschiner Damm, gegenüber dem Gutspark, den Namen »Charlotte-von-Mahlsdorf-Ring«.

Geheilt wird mit dieser Geste auch ein Konflikt zwischen Charlotte von Mahlsdorf und ihrer Heimatstadt. Sie war 74 Jahre alt, als sie am 30. April 2002 während eines Besuchs in Berlin überraschend gestorben war. Sieben Jahre zuvor, 1995 hatte Charlotte von Mahlsdorf ihr Museum geschlossen und der Stadt 1997 den Rücken gekehrt. Sie war ins tolerantere Schweden gezogen, zeigte dort Teile ihrer Sammlung im »Jahrhundertwendemuseum« von Porla Brunn, einem Kurort. Sie war enttäuscht von der Berliner Kulturpolitik, die ihr die Unterstützung versagt hatte und sie sogar aus dem Gutshaus drängen wollte. Und sie hatte Geldnöte. Hinzu kam, dass sie als bekennender Transvestit 1991 von Neonazis terrorisiert worden war. Das war zu viel gewesen für »Lottchen«, wie der »zarte Knabe«, der lieber als Mädchen zur Welt gekommen wäre, wohl schon in seiner Kindheit genannt wurde.

Das Gutshaus inmitten des Gutsparks am Hultschiner Damm 333 im Ortsteil Mahlsdorf, in dem heute ein Förderverein das Gründerzeitmuseum weiterführt, stammt vermutlich von 1815. Das Haus gäbe es ohne die Hingabe von Lothar Berfelde nicht mehr. Nach etlichen Umbauten verwahrlost und faktisch eine Halbruine, hatte man es 1958/1959 abreißen wollen. Berfelde war schon über 30, als er dort mietfrei einzog und mit dem Wiederaufbau begann. Endlich hatte er für seine in fast 25 Jahren zusammengetragene Sammlung von Berliner Möbeln, Wohnungseinrichtungen und mechanischen Musikapparaten aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert eine Bleibe gefunden. 1960 eröffnete er in den ersten fertigen Räumen des Gutshauses sein privates Gründerzeitmuseum.

Um ihr Museum, in dem sie ihre Leidenschaft für das Leben im Berlin der Gründerzeit auslebte, hat Charlotte von Mahlsdorf Zeit ihres Lebens kämpfen müssen. Die wertvolle Sammlung weckte, nachdem das mühsam rekonstruierte Gutshaus 1972 in die Denkmalliste aufgenommen worden war, Begehrlichkeiten bei den DDR-Oberen. Erst mit prominenter Unterstützung konnte der begonnene Ausverkauf 1976 gestoppt werden. 1990 kaufte »Lottchen« ihr Gutshaus, während der denkmalgeschützte Park Eigentum der Stadt blieb.

Als Charlotte von Mahlsdorf, die 1992 das Bundesverdienstkreuz erhielt, Deutschland verließ, nahm sie Teile ihrer Sammlung mit nach Schweden. Die Rettung des Gründerzeitmuseums, sein Neustart 1997 ist vor allem einer Hellersdorfer Bürgerinitiative zu verdanken, die organisierte, dass die Stadt den in Berlin verbliebenen Teil der Sammlung mit Lottomitteln erwarb. Der andere Teil kehrte 2004 aus Schweden heim.

Was Charlotte von Mahlsdorf zusammengetragen hat, zählt trotz der auf offiziellen Druck in den 1970er Jahren erfolgten Veräußerungen zu den bundesweit besten Gründerzeit-Sammlungen. Zu sehen sind 14 vollständig eingerichtete Wohnräume, die Sammlung mechanischer Musikmaschinen. Im Souterrain gibt es eine komplette Küche jener Zeit sowie das Interieur der ältesten erhaltenen Zillekneipe Berlins, die »Mulackritze«, mit Vereinszimmer und Hurenstube.

Medien, Film - ganz besonders Rosa von Praunheims »Ich bin meine eigene Frau« - und Theater machten nach 1990 das außergewöhnliche Leben der Museumsgründerin bekannt. Am 17. März wird im Gutshaus der Dokumentarfilm »Sonntagskind« von Carmen Bärwald gezeigt.

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