Sand im Getriebe

Mecklenburg-Vorpommern: Für die Wiederherstellung beschädigter Dünen fehlt Material

  • Martina Rathke, Stralsund
  • Lesedauer: 4 Min.

Für Sandaufspülungen an der Ostseeküste mangelt es weiterhin an Sand. Nach Angaben des Landesumweltministeriums gibt es in der Ostsee vor Mecklenburg-Vorpommern zwar Lagerstätten, die mit mehr als 70 Millionen Kubikmetern den Sandbedarf für die nächsten 100 Jahre decken könnten. Aber es fehlen Abbaugenehmigungen - mit der Folge, dass bei der Sturmflut 2017 beschädigte Dünen zum Teil erst jetzt oder überhaupt noch nicht repariert werden konnten.

So wartet das Seebad Lubmin noch immer auf die Wiederherstellung von zerstörten Dünenteilen. Der Sand für die Küstenaufspülungen bei Glowe und Gager (Insel Rügen), die vor wenigen Tagen abgeschlossen wurden, stammte aus einer gewerblichen Lagerstätte. Für den Strand in Zempin (Usedom) wurde gar Sand aus Tagebauen angefahren.

Nach Angaben des für Lagerstätten zuständigen Energieministeriums gibt es aktuell keine Zulassungen von Hauptbetriebsplänen zur Sandförderung aus dem Meer für den Küstenschutz. Dagegen sind vom Bergamt Stralsund sechs Hauptbetriebspläne zur Sand- und Kiesgewinnung für gewerbliche Zwecke genehmigt, zwei erst nach der schweren Sturmflut von Januar 2017.

Massive Kritik daran kommt vom Naturschutzverband WWF. Der Verband stuft die Sandförderung im Meer als »generell problematisch« ein, weil damit Eingriffe in marine Lebensräume verbunden sind. »Wir brauchen eine klare Priorisierung«, sagte der Leiter des WWF-Ostseebüros, Jochen Lamp. Sand aus dem Meer dürfe - wenn überhaupt - nur für den Küstenschutz, aber nicht für gewerbliche Zwecke abgebaut werden. Beim Abbau für Dünen und Strandaufspülungen bleibe der Sand zumindest in dem geschlossenen Kreislauf von Abtragung und Anspülung, sagte Lamp. »Die Ressource ist aber zu wichtig, um sie für den Brücken- oder Autobahnbau zu verwenden und sie damit dem System zu entziehen.«

Der Grund für die fehlenden Abbaugenehmigungen für den Küstenschutz sind offenbar die langwierigen Verfahren. Das Land hatte sich in den 1990er Jahren 16 Flächen zum Sandabbau im Küstenmeer gesichert. Experten halten das für klug, weil damit die notwendigen Reserven für die kommenden Jahrzehnte gesichert sind. Diese Konzessionen erlauben aber noch keinen Abbau. Bis der erste Saugbagger Sand entnehmen kann, sind langwierige Verfahren erforderlich.

Am Bergamt Stralsund laufen derzeit für den Küstenschutz fünf, für gewerbliche Zwecke sechs sogenannte Rahmenbetriebsplanverfahren. Sie gelten als eine Art Vorverfahren. Naturschutzfachliche und rechtliche Belange erforderten eine aufwendige Bearbeitung, hieß es aus dem Energieministerium. Auch müssten Munitionsaltlasten berücksichtigt oder Konflikte mit der Meeresstrategierahmenrichtlinie geklärt werden. Dies sei zum Teil sehr arbeits- und zeitintensiv.

Für eine Priorisierung bei der Bearbeitung von Verfahren für den Küstenschutz sieht das Bergamt derzeit keine Notwendigkeit und rechtliche Grundlage. Die Behörde verwies auf die entsprechenden Regelungen im Bundesbergrecht: »Bei Vorliegen mehrerer Verfahren können diese bislang parallel bearbeitet werden.«

Im für den Küstenschutz zuständigen Umweltministerium wünscht man sich, dass künftig den Verfahren für den Küstenschutz ein gewisser Vorrang eingeräumt wird, weil diese im überwiegend öffentlichen Interesse lägen. Das Ministerium plant demnächst Maßnahmen an der Küste Usedoms und von Graal-Müritz. Dazu könnten kurzfristig Aufspülungen kommen. Geplant wird mit einer benötigten Sandmenge von rund 500 000 Kubikmetern pro Jahr.

Sand aus Tagebauen für Dünen zu nutzen, ist nach Angaben des Umweltministeriums keine Alternative. Grund seien die großen Sandmengen, die gebraucht würden, und die damit verbundenen Belastungen von Umwelt und Straßen. Bei einer Gesamtmenge von 500 000 Kubikmetern wären das 40 000 Lkw-Fahrten pro Jahr. In Zempin diente die Sandanspülung nicht dem Küstenschutz, sondern der Strandmodellierung aus touristischen Gründen. Finanziert wurde sie vom Wirtschaftsministerium.

Für 2017 liegen dem Bergamt noch keine Förderzahlen vor. In den vergangenen Jahren variierten die Zahlen stark. Zwischen 1998 und 2015 wurden 15,8 Millionen Tonnen Sand für den Küstenschutz und 12,2 Millionen Tonnen für gewerbliche Zwecke gefördert. dpa/nd

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