»Der Chip ist nur Rohstoff«
Es war ein Schock, manche fürchteten gar: das vorläufige Ende des auf Chips ruhenden Aufschwungs in Dresden. Vor neun Jahren, am 23. Januar 2009, meldete Qimonda Insolvenz an. In Dresden, wo die Tochter von Infineon bis dahin die europaweit größte Chipfabrik betrieben hatte, standen 3000 Mitarbeiter auf der Straße.
Inzwischen dürften die meisten wieder einen Job haben - und zwar in der Region. Die Halbleiterbranche um Dresden brummt wieder. Das Netzwerk »Silicon Saxony«, zu dem 320 Unternehmen mit 20 000 Mitarbeitern und vier Milliarden Euro Jahresumsatz gerechnet werden, blickt zuversichtlich in die nähere Zukunft. Von »Aufbruchstimmung« war bei einem Branchentreff vor einigen Monaten die Rede. Ein Indiz: der erste Neubau einer Chipfabrik seit zwei Jahrzehnten. Zuletzt hatte 1999 der US-Konzern AMD ein Werk im Dresdner Norden errichtet, jetzt folgt Bosch. Dessen Chipschmiede, in die eine Milliarde Euro investiert werden, soll 2019 fertig sein und 700 Jobs schaffen.
Während Netzwerker in Dresden oder bei Werbeterminen wie kürzlich in der Bundeshauptstadt Euphorie verbreiten, herrscht bei »Urgesteinen« der Dresdner Halbleiterbranche eher Sorge. Sie registrieren, dass in Dresden zwar massenhaft Chips für Handys, Haushaltgeräte und Autos gefertigt werden, man die Grenzen der Technologie aber inzwischen anderswo ausreizt: in Fernost. Europa hinke der Entwicklung heute wieder so weit hinterher wie einst die DDR dem Weltniveau, sagt Bernd Junghans, Projektleiter für den Ein-Megabit-Chip nach 1986. Er verweist auf Hersteller wie Nvidia, die Chips für das autonome Fahren entwickeln: 15 Milliarden Transistoren auf einem Chip, Strukturen von unter 15 Nanometern. Und im Unterschied zu einst gebe es »keinen Plan, wie man den Anschluss wieder herstellen könnte«. Es fehle in Europa, Deutschland und Sachsen an einer Strategie, »wie man die Ressourcen fortführt«.
Noch, sagt sein Ex-Kollege Jörg Ludewig, seien die Voraussetzungen gut: ein weit verzweigtes Netz von Firmen, Instituten und Forschungseinrichtungen, die exzellente Arbeit leisten. Allerdings sei etwa die Förderlandschaft zu zerklüftet und schwerfällig. Auch Michael Raab, der einst am Megabit-Chip mitarbeitete und heute bei Globalfoundries arbeitet, drängt auf gemeinsame strategische Ziele für die Region und entsprechend gebündelte Förderung. Er vermisse einen Cluster, in dem sich europäische Anwender für die Chips zusammenschließen und Anforderungen für die nächsten zehn Jahre formulieren, sagt er: »Die Chips sind ja nur der Rohstoff.« Werde in Dresden nur Masse produziert, während die eigentliche Post woanders abgeht, dann, sagt Raab, wären das »mittelfristig keine guten Aussichten«.
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