Insolvenz statt Weihnachtsgeld
Die privaten Paracelsus-Kliniken planen nach Verlusten und Pleite eine Neuaufstellung
Nun ist es passiert: ein privater Krankenhauskonzern hat Insolvenz angemeldet. Betroffen ist die Paracelsus-Kliniken Deutschland GmbH & Co. KGaA mit 40 Einrichtungen an 23 Standorten, Hauptsitz in Osnabrück. Insgesamt 5200 Menschen arbeiten dort. Demnach müssen sich im Konzern auch einige kleinere Einrichtungen mit wenigen hundert Mitarbeitern befinden. Gerade derartige Kliniken stehen im Fokus länger anhaltender Diskussionen, dass Deutschland zu viele Krankenhäuser hat, dass die Branche an vielen Standorten keine hohe Qualität anbieten kann.
Dennoch dürfte der Vorgang nicht überraschen, denn seit mindestens acht bis zehn Jahren schreibt fast die Hälfte der deutschen Krankenhäuser rote Zahlen. Von den genannten 40 Einrichtungen der Paracelsus-Kliniken, zu denen auch Rehakliniken und Ärztehäuser gehören, sind nach Gewerkschaftsinformationen sieben der 17 Akutkliniken defizitär. Sie gehören mit zu den Häusern, denen Anfang 2017 ein Versorgungszuschlag von 0,8 Prozent der jeweiligen Fallpauschalen gestrichen wurde. Der Gesamtverlust für alle deutschen Krankenhäuser war vorab auf 500 Millionen Euro berechnet worden. Konstantes Problem des Sektors sind zudem fehlende Investitionen der Bundesländer - in Niedersachsen sind sie besonders knapp gehalten.
Für einige der Paracelsus-Kliniken deuteten sich Ursachen für die nun öffentlich gewordenen Verluste an. So versuchte der Konzern im Juli, mit der Gewerkschaft ver.di Verhandlungen über einen Sanierungstarifvertrag aufzunehmen. Damit sollten Personalkosten gesenkt werden, unter anderem durch Verzicht auf Weihnachtsgeld. Die Gewerkschaft habe die Gespräche abgebrochen, hieß es in Medienberichten, da das Sanierungskonzept nicht ausreiche. Besonders die Häuser am Stammsitz in Osnabrück und in Karlsruhe steckten in den roten Zahlen. Weihnachtsgeld gab es trotz alledem nicht, wie vergangene Woche in Osnabrück bekannt wurde. Durch das Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit sind Löhne und Gehälter zumindest für drei Monate gesichert.
2015 hatte sich der Alleingesellschafter, der Arzt Manfred Georg Krukemeyer, angesichts von Krisen in einzelnen Einrichtungen noch recht entspannt gezeigt. Es habe in der Geschichte der Paracelsus-Gruppe immer mal defizitäre Häuser gegeben, die durch andere aufgefangen wurden. Dieser Plan gilt offenbar auch jetzt, denn bei Gericht wurde der Antrag auf Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung gestellt. Diese Variante zielt nicht auf eine Abwicklung sondern auf eine Sanierung des Unternehmens. Das Geschäftsmodell Krukemeyers setzte auf viele Fachabteilungen und Chefärzte. Offenbar funktionierte das nicht für alle beteiligten Kliniken, auch nicht für die in Osnabrück.
Mit entsprechend gemischten Gefühlen gehen die betroffenen Mitarbeiter und Kommunen in die Weihnachtsfeiertage. Etwa in Südwestsachsen sind vier Regelkrankenhäuser von der Insolvenz betroffen, etwa die Kliniken in Reichenbach und Zwickau. Das ehemalige Kreiskrankenhaus Reichenbach war 2000 privatisiert und 2006 vom Helios-Konzern an die Paracelsus-Kliniken verkauft worden. Schon in den Vormonaten haben es Verhandlungen über die Verlagerung von Mitarbeitern nach Zwickau gegeben, hieß es von verdi. Diese Pläne seien aber wieder vom Tisch. Im Falle einer Bestandsgefährdung, sagte Thomas Höllrich (LINKE), Stellvertreter des Reichenbacher Oberbürgermeisters, sollte das Krankenhaus wieder in kommunale Verantwortung zurückgeführt werden.
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