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Der große Knall blieb aus
Trotz Diskussionen um Pretzell-Gefolgschaft und Finanzen lief der Parteitag der AfD in Nordrhein-Westfalen gesitteter ab als erwartet
Am Wochenende hat die nordrhein-westfälische Alternative für Deutschland (AfD) einen neuen Vorstand gewählt. Eigentlich sollte der Parteitag schon Mitte Oktober stattfinden. Damals sagte die Partei das Treffen wegen Sicherheitsbedenken ab. Dabei wusste die Polizei damals nichts von Problemen mit der Sicherheit. Jetzt holten die Rechtspopulisten ihren Parteitag am äußersten Rand von Nordrhein-Westfalen, in Kalkar, nach. In den 1970er und 80er Jahren wurde in dem Dörfchen an der holländischen Grenze ein Atomkraftwerk gebaut. Aufgrund von Protesten und Sicherheitsbedenken ging der so genannte »Schnelle Brüter« nie ans Netz. Seit 1995 befindet sich ein Freizeitpark mit Hotelanlage auf dem Kraftwerksgelände. Das »Wunderland Kalkar« ist eine Art »Ballermann« am Niederrhein, mit Junggesellenabschieden und Firmenfeiern - ein passender Ort also, um einen neuen Vorstand für die AfD zu wählen.
Viel Streit gab es im Vorfeld des Parteitags - Funktionäre mussten sich für ihre Treue zu Marcus Pretzell rechtfertigen, dem Ehemann von Frauke Petry, der die AfD nach der Bundestagswahl ebenfalls verlassen hatte. Außerdem gab es Spekulationen über finanzielle Unregelmäßigkeiten und Vetternwirtschaft im Landesverband. Doch der Parteitag lief gesitteter ab, als zu erwarten war. Zwar brauchten die Delegierten mehrere Stunden, um Tagesordnung und Satzung zu beschließen, wobei es auch zu hitzigen Reden kam. Aber der große Knall blieb aus. Die Finanzen sollen nun auf einem weiteren Parteitag gesondert besprochen werden. Erst danach soll der alte Vorstand entlastet werden. Unzufrieden ist man mit der Entwicklung der Mitgliederzahl. Diese sei trotz der Erfolge bei der Landtagswahl im Mai und der Bundestagswahl im September hinter den Erwartungen zurückgeblieben, berichtete der Geschäftsführer der Landtagsfraktion, Andreas Keith. Man habe »mit deutlich mehr Mitgliedsanträgen gerechnet«.
Am Abend wurden die neuen Vorsitzenden gewählt. Dabei setzten sich zwei Außenseiter durch. Der bisherige AfD-Landesvorsitzende Martin Renner war entgegen seiner vorherigen Ankündigung nicht wieder angetreten. Er wolle nicht mehr zu den Strippenziehern gehören, sagte er zur Begründung. In seinem Rechenschaftsbericht sprach der 63-Jährige von konkurrierenden Gruppierungen und »Gegnern in der Partei«.
Zum ersten Sprecher wurde nun der Landtagsabgeordnete Thomas Röckemann gewählt. Der 52 Jahre alte Rechtsanwalt aus Minden hatte als Spitzenkandidat für die Landtagswahl im Mai gegen Pretzell den Kürzeren gezogen. Er kann der völkischen Strömung innerhalb der Partei zugerechnet werden, exponiert sich allerdings selten selbst. Er nimmt an Treffen des »Flügels« um Björn Höcke teil. Seine Hauptziele im Landtag: gegen »Türken-Armin«, gemeint ist der NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, vorzugehen und »linke Politik« verhindern, die für Röckemann wohl bei der CSU anfängt.
Röckemann zur Seite steht mit Helmut Seifen ein weiterer Landtagsabgeordneter. Der 64-Jährige ehemalige Schulleiter war früher Mitglied der CDU und galt als Pretzell-Mann, was er erst begradigen musste, um gewählt zu werden. Eine »menschliche Enttäuschung« sei dieser für ihn gewesen, erklärte er. Röckemann und Seifen bilden innerhalb der Partei ähnliche Strömungen ab wie ihre Vorgänger, doch beide sind keine Lautsprecher. Es könnte ihnen deshalb gelingen, die Mitglieder in NRW zu befrieden.
Der größte Landesverband der AfD wird in der Bundespartei künftig dennoch nur eine untergeordnete Rolle spielen. Letzte Woche wurden zwar mit Kay Gottschalk und Guido Reil zwei Funktionäre aus dem Landesverband in den Bundesvorstand gewählt. In Kalkar will man beide aber nicht einmal im erweiterten Landesvorstand haben. Gottschalk wurde für seine Gefolgschaft zu Pretzell abgestraft. Reil vertraut man wegen seiner 26 Jahre in der SPD nicht genug.
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