Uerdingen 05 greift an
Mit russischem Geld will der KFC in den Profifußball
Michael Wiesinger schätzt die Tradition. Dem langjährigen Nürnberger und Münchner Bundesligaspieler wird daher beim Anblick seines neuen Arbeitsplatzes warm ums Herz. »Wenn man in die Grotenburg geht, die Katakomben und Kabinen sieht, dann riecht es nach Geschichte, und man spürt die Begeisterung«, schwärmt der Trainer vom altehrwürdigen Stadion im Krefelder Stadtteil Uerdingen.
Das ist zwar schon ziemlich marode. Ausverkauft war es zum letzten Mal 1994 - gegen Bayern München. Noch immer könnten 34 500 Zuschauer kommen, im Schnitt sind es derzeit nicht mal 3000. Aber das Stadion lebt auch jetzt noch vom Charme einer längst vergangenen Fußballzeit, der viele Fans hinterhertrauern. Beim KFC Uerdingen schwelgen sie gerne in Erinnerungen an die glorreichen Tage, an den DFB-Pokalsieg 1985 oder das Europapokalwunder gegen Dynamo Dresden im Jahr darauf. Damals lautete der Vereinsname noch Bayer 05, und die Gegner hießen FC Bayern oder Atletico Madrid.
Die jüngere Vergangenheit war weniger glanzvoll. Das soll auch Wiesinger ändern - mit russischer Hilfe. Investor Michail Ponowarew, zuvor im Eishockey bei der Düsseldorfer EG tätig, ist vor knapp einem Jahr beim KFC eingestiegen, damals lagen vier Insolvenzanträge hinter dem Klub. Nach dem Aufstieg aus der Ober- in die Regionalliga verfügt der Verein jetzt über ein Budget von drei Millionen Euro für diese Saison.
Wiesinger, der den 1. FC Nürnberg in der Bundesliga trainierte, kam im Sommer für Aufstiegstrainer Andre Pawlak und kennt die gestiegenen Erwartungen am Niederrhein. »Wenn man von einem Investor unterstützt wird, der die Führung übernommen hat, dann gibt so ein Investor auch klare Ziele vor«, sagt Wiesinger. Anvisiert ist zunächst die Rückkehr in den Profifußball. Derzeit führt der KFC die Regionalliga West an - mit erfahrenem Personal. Christopher Schorch, einst von Real Madrid als Toptalent verpflichtet und beim 1. FC Köln zum Bundesligaspieler gereift, verteidigt beim Traditionsverein. Auch Charles Takyi oder der derzeit verletzte Christian Müller spielten schon im Oberhaus.
Die Zukunft sah in Uerdingen schon deutlich schlechter aus. Unter anderem auch unter dem ehemaligen Klubchef Agissilaos Kourkoudialos, der den Verein als Vorgänger Ponowarews in seiner langen, achteinhalbjährigen Amtszeit ebenfalls mit einem Millionenbetrag subventionierte. Schlagzeilen machte er aber vor allem durch den kuriosen Transfer des ehemaligen Bundesligatorschützenkönigs Ailton - nicht durch Erfolg. Der verschwand nach dem Ausstieg des Pharma- und Chemiekonzerns Bayer im Jahr 1995 von Tag zu Tag ein bisschen mehr. SID/nd
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