Vogtländern droht die Katze im Müllsack

Streit um Abfallsatzung in sächsischem Landkreis

  • Hendrik Lasch, Plauen
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit 2008 sind die ehemals kreisfreie Stadt Plauen und das umliegende Vogtland eins: Sie wurden damals im Zuge einer Kreisreform zusammengeschlossen. Erst zehn Jahre später wird die Einheit auch an der Mülltonne vollzogen: Anfang 2019 sollen bisher getrennte Regelungen zur Abfallentsorgung in Stadt und »Altkreis« durch ein gemeinsames Modell ersetzt werden. Doch seit der Kreistag im Juni die entsprechende Satzung beschloss, gibt es Zank. Die LINKE fordert nun per Petition sogar, das Thema komplett neu aufzurollen: »Der Beschluss soll aufgehoben und neu diskutiert werden«, verlangt Henry Ruß, Vizechef der Fraktion im Kreistag.

Für Unmut sorgt vor allem, dass die Vogtländer gewissermaßen die Katze im (Müll-) Sack kaufen sollen. Der Kreistag habe entschieden, »ohne die Kostenfolgen zu kennen«, sagt Ruß. Über eine Gebührensatzung soll frühestens ab November beraten werden, wenn 58 000 Fragebögen ausgewertet sind, die an Grundstückseigentümer verschickt wurden. Darin sollen diese unter anderem das künftige Müllaufkommen abschätzen.

Die neue Regelung bringt erhebliche Veränderungen. Im Altkreis ging der Gebührenbescheid bisher an einzelne Haushalte, künftig aber an die Besitzer von Grundstücken - auf denen ja mehrere Haushalte leben können. Das Modell sieht Gebühren für jede Leerung einer Tonne vor und legt fest, dass die mindestens viermal im Jahr zu erfolgen habe. In der Stadt Plauen gab es bisher indes jährliche Pauschalen, deren Höhe von der Häufigkeit der Leerung abhing. Ruß merkt auch an, dass die Satzung in sich nicht schlüssig sei. Diese legt eine Mindestmüllmenge von fünf Litern pro Woche pro Person fest. Nutzt ein Haushalt mit zwei Personen eine 80-Liter-Tonne, müsse die damit indes nicht mindestens vier-, sondern 6,5-mal im Jahr geleert werden.

Auch Regelungen zur Biotonne, die im Altkreis neu eingeführt wird, sorgen für Ärger. Von der Pflicht zur braunen Tonne kann befreit werden, wer den Abfall auf dem Grundstück kompostiert, jedoch nicht, wer das im weiter entfernten Kleingarten erledigen will. Die LINKE sieht einen Widerspruch zu Bundesgesetzen.

Das Thema Müll sorgt im Vogtland seit Jahren für Stunk. Immer wieder stiegen die Gebühren kräftig - zuletzt im Januar 2017 um bis zu 45 Prozent, kritisiert Ruß. Im sächsischen Vergleich gehören die Abfallgebühren im Vogtland zu den höchsten, stellte der MDR fest und rechnete vor, dass ein Dreipersonenhaushalt für eine alle zwei Wochen geleerte 80-Liter-Tonne in dem Landkreis mit 160 Euro zur Kasse gebeten wird, in der Stadt Chemnitz aber nur mit 57 Euro. Der Chef des Amtes für Abfallwirtschaft verwies in dem Sender auf massive Steigerungen bei den Gebühren in den Müllverbrennungsanlagen.

LINKE-Politiker Ruß, der im Kreistag dem zuständigen Ausschuss angehört, sieht den Kreis und dessen Unternehmen freilich in der Mitverantwortung und verweist auf ungünstig ausgehandelte Verträge. Sein Parteifreund Peter Jattke sieht ein »Konglomerat an Firmen« am Werk, das vielen Bürgern undurchsichtig scheine. »Beim Müll«, sagt der Ortschef der Partei in Treuen und Lengefeld, »stinkt es im Vogtland gewaltig.«

Die Petition, die Jattke und seine Genossen angeregt haben und die über 2000 Unterschriften erreichte, soll zumindest dafür sorgen, dass die öffentliche Debatte noch einmal in Gang kommt. Bisher unterblieb die - nicht zuletzt, weil die Satzung nicht öffentlich ausgelegt und erörtert wurde. Ein, wie Ruß formuliert, weiterer »eklatanter Gesetzesverstoß«.

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