Türken besetzen Idlib

Syrien bezweifelt verkündete Absichten Ankaras

  • Karin Leukefeld, Damaskus
  • Lesedauer: 3 Min.

Türkischen Medien zufolge ist die Türkei ein weiteres Mal in Syrien einmarschiert. Über den Grenzübergang Atme im Nordwesten Syriens sei in der Nacht zu Freitag ein Konvoi mit Panzern und schwerem Gerät bis nach Darat Izza gefahren, rund 30 km westlich der nordsyrischen Metropole Aleppo, hieß es in der Istanbuler Zeitung »Hürriyet«.

Die Armeeführung erklärte am Freitag in Ankara, der Einmarsch diene der Einrichtung eines Deeskalationsgebietes in der syrischen Provinz Idlib. Die türkische Armee will insgesamt 14 »Beobachtungsposten« zur Kontrolle zwischen der nordwestsyrischen Stadt Afrin und der Provinz Idlib installieren. An allen Punkten werden türkische Spezialkräfte stationiert. Begleitet wird der Einsatz von Aufklärungsdrohnen. Weitere Einheiten sollen in den kommenden Tagen nach Idlib einmarschieren. Auf der türkischen Seite der Grenze findet eine enorme Truppenkonzentration statt.

Ziel der Operation sei, den Krieg in Syrien zu beenden. Vier Deeskalationsgebiete wurden bisher bei den Astana-Gesprächen dazu vereinbart. Die Türkei gehört mit Iran und Russland zu den Garantiemächten des Abkommens.

In Syrien gibt es derweil Zweifel an den verkündeten Absichten der der Türkei. Der syrische Außenminister Walid Mouallem erklärte nach einem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow, Syrien bewerte jede Anwesenheit türkischer Truppen in Syrien als »illegal«. Der jüngste Einmarsch sei nicht mit der syrischen Regierung abgesprochen und entspreche nicht den Regeln, die für die Deeskalationsgebiete in Syrien vereinbart worden seien. Bereits im August 2016 hatte die Türkei zwei Militärbasen im Norden der Provinz Aleppo - bei Dabiq und nördlich von Manbij - errichtet. Auch gegen diesen Einmarsch, der angeblich der Vertreibung des »Islamischen Staates« aus Jarabulus diente, protestierte die syrische Regierung.

In Idlib soll die türkische Regierung nun die Gruppen eindämmen, die sie selbst - in Absprache mit den USA, europäischen und Golfstaaten - seit 2011 bewaffnet und unterstützt hat. Idlib wird aktuell von Hayat Tahrir al-Scham (HTS) kontrolliert, einem von der Nusra-Front gegründeten und dominierten islamistischen Bündnis. Die Nusra-Front wurde vom UN-Sicherheitsrat als terroristische Organisation eingestuft und lehnt die Deeskalationsvereinbarungen in Syrien ab.

Für die Türkei scheint die Terrorgruppe HTS allerdings Bündnispartnerin zu sein. Ein Vorauskommando der türkischen Armee hatte Anfang der Woche gemeinsam mit HTS den nun eingenommenen Stützpunkt Darat Izza inspiziert. Die Kooperation deutet darauf hin, dass das eigentliche Ziel der türkischen »Operation Idlib«, wie sie in türkischen Medien heißt, nicht der Beruhigung der Provinz und dem Kampf gegen die Nusra-Front, sondern der Einkreisung der Stadt Afrin dienen soll. Im Norden von Afrin, in Azaz, sitzen ebenfalls von der Türkei unterstützte Gruppen. Afrin wird ansonsten von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) kontrolliert, die von der Türkei zur »nationale Bedrohung« erklärt wurde. Die HTS bekämpft die PYD als »Ungläubige«.

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