Holzbrille, sei achtsam
Sergio Duarte erhielt für seine Brillengestelle aus Holz einen Designpreis
Die mit einem Preis geehrten »nachhaltigen Holzbrillen« der Potsdamer Kleinfirma Pewen waren wohl das Ungewöhnlichste oder auch Originellste, was die diesjährige Verleihung der Designpreise in der Potsdamer Schinkelhalle zu bieten hatte. Bei der Herstellung der Holzbrille sei »äußerste Vorsicht geboten, um die Einzigartigkeit eines jeden Modells zu bewahren«, sagte der chilenischstämmige Erfinder Sergio Duarte.
Unter 95 Einsendungen hatte die Fachjury zu wählen, und Kulturministerin Martina Münch (SPD) würdigte ausdrücklich, dass der Designpreis selbst sich ein neues »Outfit« gegeben hat. In der Form ist er einem mittelalterlichen Wappenschild nachempfunden, angefüllt mit nichts als goldener Farbe.
Design sei der »Punkt auf dem ›I‹«, erklärte Münch. Wichtig sei, dass es nun auch die Kategorie »Lichtdesign« gibt, in der drei Preise verliehen werden. Gewonnen hatte hier ein in der PCK-Raffinerie Schwedt umgesetzter Vorschlag der Lichtvision Design GmbH. Sie hatte die fensterlose Schaltzentrale, also die Messwarte des Großbetriebs, in eine Art Lichtshow verwandelt. Eine zuvor große graue und triste Decke in diesem »Bunker« bietet als »frei programmierbare Lichtquelle« nun die Illusion eines riesigen Oberlichtfensters, über das Wolken ihre Bahn ziehen, auch Flugzeuge und Vogelschwärme. Ob vielleicht auch 99 Düsenflieger zu »beobachten« sein werden, war nicht zu erfahren. Doch kann der Chef bei der Geburtstagsfeier 99 Luftballons aufsteigen lassen. Die dort arbeitenden Kollegen können zwar immer noch nicht aus dem Fenster sehen, aber mittels mehrerer Webcams auf ihren Computerbildschirmen verfolgen, was sich in der Umgebung ereignet.
Eingereicht werden dürfen nur Projekte, die tatsächlich auch umgesetzt worden sind. Einzige Ausnahme: der Nachwuchspreis. Hier gewann Dominik Gletzer mit einer von ihm entwickelten Tür für Miniappartements, die in alle Richtungen verdreh- und gewissermaßen verstellbar ist. Mit Blick auf die extreme Verteuerung von Wohnraum in den Universitätsstädten ein nützlicher Beitrag, hielt die Jury fest. Gutes Design löse Probleme, »die oft den Nutzern noch gar nicht bewusst waren«, wie die Moderatorin hinzufügte. Die für die sibirischen Weiten typische Birke hatte ebenfalls einen Auftritt in der Schinkelhalle. Anastasia Koschtschewa zeigte, dass sich die Rinde dieses Baums nicht nur zum Feuerentfachen eignet, sondern auch als Material für Kunst- und Nutzgegenstände. Sie kam damit auf Platz drei.
Ausgezeichnet wurde das Design der neuen rbb-Verbrauchersendung »Supermarkt«, ferner die Ausgestaltung eines Berliner Kaffeehauses durch die Aufmberg GmbH und eine »akustisch wirksame Mooslampe«. Einen Preis gewann ebenso der in Hennigsdorf beim Konzern Bombardier für Stockholm hergestellte Eisenbahnzug C30.
Ausdrücklich und mehrfach wurde das Land Brandenburg für die Auslobung seines Designpreises gewürdigt. Denn die einreichenden Künstler und Formgestalter müssen dafür nichts bezahlen. Es sei ein Preis »ohne horrende Anmeldegebühren«, lobte als Laudator und Jurymitglied Professor Matthias Beyrow von der Fachhochschule Potsdam. Bei anderen Wettbewerben würden mitunter 5000 Euro »Startgeld« verlangt, erfuhr das Publikum später.
Mit einem leidenschaftlichen Appell für eine faire Bezahlung der Designer wandte sich Professor Volker von Kardorff, Mitglied des Lichtbeirats in Berlin und Zürich, an die Öffentlichkeit: Die Einkommen der meisten Menschen in dieser Berufsgruppe liegen demnach so niedrig, dass sie nur als »prekär« bezeichnet werden könnten. Auch bei Aufträgen der öffentlichen Hand würde »viel zu oft der Billigste« den Zuschlag erhalten. Leider sei der aber fast nie der Beste. Kardorff warb dafür, erfüllte Aufträge »angemessen« zu bezahlen. Als praktischen Ort des Wirkens könne er sich Potsdam vorstellen. Wer da nachts über den Platz der Einheit wandle, dem könne aus optischen Gründen »angst und bange« werden.
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