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Bauern fehlt es an Saatgut
Mecklenburg-Vorpommern: Verzögerungen bei der Herbstbestellung bedeuten Zusatzkosten
Viele Bauern hängen in diesem Herbst mit der Aussaat von Winterweizen, dem wichtigsten Getreide in Mecklenburg-Vorpommern, nach: »Ich habe mich für die Sorte ›Dichter‹ entschieden. Die passt optimal zu meinen Böden. Und nun das«, ärgert sich der Chef der Agrargenossenschaft Papendorf bei Rostock, Steven Hirschberg. Er deutet auf eine startbereite Drillmaschine, die längst ihre Runden drehen sollte. Doch nichts rührt sich. Wie ihm ergeht es derzeit vielen Landwirten. Sie setzen auf frühe Winterweizensorten. Die müssen eigentlich um den 15. September in den Boden. Doch der Termin ist längst verstrichen und das bestellte Saatgut noch immer nicht geliefert.
»Wir tun, was wir können. Die Anlagen laufen rund um die Uhr«, sagt der Geschäftsführer der Nordkorn-Saaten GmbH in Güstrow, Andreas Prellwitz. »Aber weil die Ernte erst Anfang des Monats unter Dach und Fach war, gut zehn Tage später als im langjährigen Mittel, hinken wir hinterher«, erläutert er und nennt weitere Gründe für die verspätete Auslieferung: »Der Anteil der kleinen Körner, also der Körner, die nicht keimfähig sind, ist wesentlich größer als in den vergangenen Jahren. Statt fünf Prozent, wie üblich, sind es diesmal um die 25 Prozent.« Das Aussortieren koste aber zusätzliche Zeit.
Das Tochterunternehmen der Ceravis AG ist Dienstleistungsspezialist rund um das Saatkorn. Das reicht von der Zusammenarbeit mit Vermehrungsspezialisten in der Landwirtschaft, über das Erfassen und Aufbereiten des Saatgetreides bis hin zum Vertrieb. Rund 130 Sorten sind aktuell im Angebot. Doch nur die frühen Winterweizensorten bereiten derzeit Probleme bei der Aufbereitung. Das setze sich fort bis hin zur erforderlichen Anerkennung als Saatgut.
Die zuständige Dezernentin der Anerkennungsstelle für Saat- und Pflanzgut in Rostock, Sybille Wegner, sagt: »Weil die Partien in diesem Jahr qualitativ höchst unterschiedlich sind, können wir unseren bewährten Schnelltest für die Zertifizierung nicht anwenden.« Daher dauere alles doppelt so lange. Wegen der vielen Niederschläge im August habe sich im Getreide zudem ein Pilz breit gemacht. Dessen Bekämpfung erfordere eine spezielle Behandlung und wiederum zusätzliche Zeit. Mindestens 92 Prozent Keimfähigkeit seien erforderlich.
In diesem Jahr fielen viele Körner durchs Sieb. »Die eignen sich nur noch als Futtergetreide«, urteilt Wegner. Sei eine Partie als Saatgut anerkannt, werde sie auch umgehend ausgeliefert. »Wir leben derzeit von der Hand in den Mund«, sagt sie.
Landwirt Hirschberg hat die Botschaft vernommen. Gleichwohl ist er ungeduldig. »Laut Anbau-Empfehlung sollte meine Winterweizensorte längst im Boden sein. Jeder Tag später schmälert womöglich den Ertrag im nächsten Jahr«, sagt er. Nötig sei zudem eine höhere Saatdichte. »Statt 220 Körner pro Quadratmeter, wie zum agrotechnisch günstigsten Termin empfohlen, muss ich mit jedem Tag Verspätung Körner dazulegen, dicker säen. Nur so ist ein optimales Auflaufen möglich. Aber das kostet zusätzliches Geld, das mir keiner erstattet«, moniert Hirschberg. dpa/nd
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