Falsch, Mister Trump, wir haben die Wahl!

Der Kapitalismus nicht als Vorstufe zum Paradies / Nur mit Alternativen kann der Klimawandel aufgehalten werden

  • Eva Bulling-Schröter
  • Lesedauer: 4 Min.

In seiner ersten Rede vor den Vereinten Nationen hat Donald Trump nicht nur gegen »das Böse« geschossen, das sich ganz besonders in der Gestalt von »korrupten Regimen« in Nordkorea, Iran, Syrien und Venezuela breit mache und ganze Völker unterdrücke. Und die es zu befreien gelte. Die Mission des mächtigsten Landes der Erde, so verweist der Multimilliardär auf die Aufgabe von Politik, sei es zu allererst den Wohlstand der Bürgerinnen und Bürger zu heben. Sein kurzer Bogen ist gewohnt schnell gespannt: Die Sowjetunion (nicht Russland?), Kuba oder Venezuela würden zeigen, dass Sozialismus eine »gescheiterte Ideologie« sei.

Überall, wo die sozialistische Idee »aufgezwungen und aufprobiert wurde«, so der blonde Immobilienhai, »hat sie Armut und Leiden gebracht«. Nur »Pein, Zerstörung und Scheitern« würden die »Prediger dieser diskreditierten Ideologie« über die Welt bringen, schwang Trump als Vertreter der größten kapitalistischen Macht die große Systemkeule.

Nebenbei drohte der Oberbefehlshaber der »stärksten Armee aller Zeiten« und Mann am roten Atomknopf mit der »totalen Zerstörung« Nordkoreas (es wäre die zweite nach dem Koreakrieg mit vier Millionen Toten, bei der US-Bomber 18 der 22 größten nordkoreanischen Städte wenigstens zur Hälfte dem Erdboden gleich machten und 2,5 Millionen Nordkoreaner starben) und seinem Rekord-Militärbudget von 700 Milliarden (sic!) US-Dollar.

Trumps breitbeinig-nationalistische Rede vom American Way of Life, als »ein Beispiel für jedermann«, macht nachdenklich. Leben wir in der besten aller möglichen Welten? Ist die Geschichte, wie es nach dem friedlichen Fall der Mauer und dem Ende der Sowjetunion der US-Politikwissenschaftler Francis Fukuyama ausrief, mit dem Kapitalismus tatsächlich an ihr Ende gekommen?

Vor dem Urnengang in Deutschland am Sonntag, nach Jahren der vorgegaukelten Alternativlosigkeit von Schwarz-Geld und Großer Koalition, stellt sich die Frage, ob wir überhaupt noch eine Wahl haben. Wer wählt, könnte man meinen, diese vermeintliche »Vorstufe zum Paradies« ab, so wie Horst Seehofer den bayerischen CSU-Kapitalismus bekanntermaßen nennt.

Die Welt ist nicht in Ordnung, sie ist ungerecht. Noch nie war die Welt so reich. Noch nie war der Reichtum so ungleich verteilt. Der Reichtum ist die Folge einer historisch hohen Produktivität. Natürlich, denn die Menschheit ist erfinderisch, rottet Krankheiten aus, treibt Handel, verhindert Kriege mit Institutionen wie den Vereinten Nationen, schreibt die Geschichte also weiter. Den Fortschritt pinnen sich die Kapitalisten gerne auf ihre Fahnen.

Die schlechten Nachrichten aber sind nur Randnotiz, Kollateralschaden des Reichtums, zynisch gesprochen dornige Chancen der Abgehängten. An den Abgrund Gedrängte gibt es zu Millionen. Gerade hat die FAO-Welternährungsorganisation ihren Jahresbericht herausgegeben. Nach einem Rückgang über zehn Jahre lang hinweg gibt es wieder eine steigende Zahl der Hungernden. 2016 hatten 815 Millionen Menschen nicht genug zu essen, das sind 38 Millionen mehr als 2015. 11 Prozent aller Menschen dieser Erde, jeder zehnte also, hungert. Ein treibender Grund für wieder wachsenden Hunger ist der Klimawandel, warnen die FAO-Experten. Sie sagen neue Verwerfungen voraus, und neues Leiden.

Der Klimawandel, in Trumps Rede kommt er nicht vor. Klimaschutz wird von Turbo-Spätkapitalisten wie ihm, aber auch von seinen ideologischen Brüdern und Schwestern im Geiste, als Investitionshemmnis, als Spaßbremse der Profite, verdammt. Als Umweltpolitikerin habe ich zwanzig Jahre lang, in Bonn und Berlin, den Klimaschutz hochgehalten, versucht in die Räder der Gesellschaft zu greifen, um sie ökologischer, gerechter und friedlicher zu machen.

Der Klimawandel muss aufgehalten werden, heute wie nie zuvor. Denn die Zeit drängt, das CO2-Budget, das der Menschheit noch zum in die Luft zu pusten zur Verfügung steht, reicht vielleicht noch 20 Jahre. Diesen Sonntag stehe ich nicht zur Wahl, ich habe jüngeren Linken den Weg frei gemacht und werde mich jetzt mehr in meiner Heimat Bayern engagieren. Soviel ist aber sicher: Die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Nein, Mister Trump, nein Frau Merkel, nein Herr Seehofer, wir lassen uns nicht einlullen. Eine bessere Welt ist möglich. Wir haben die Wahl.

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