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Saakaschwilis Irrfahrt in die Ukraine zurück

Ausgebürgerter Gegner des Präsidenten Poroschenko passierte gegen dessen Willen illegal die Grenze

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 4 Min.

Der vergangene Sonntag war für Michail Saakaschwili, den georgischen Ex-Präsidenten, ein wirklich langer Tag. Ursprünglich wollte der 39-Jährige, der 2015 als Reformer in die Ukraine geholt und in diesem Juli von Präsident Petro Poroschenko ausgebürgert wurde, am Grenzübergang Krakowez über Polen in die Ukraine zurückzukehren. Das hatte Saakaschwili bereits Ende August angekündigt, als der ehemalige Gouverneur des südukrainischen Odessa eine Ansprache in seinem Warschauer Hotelzimmer hielt. Auf dem Weg, den der Ex-Georgier am Morgen mit seiner Frau sowie dem elfjährigen Sohn im polnischen Rzeszów begann, wurde Saakaschwili unter anderen von Ex-Premier Julia Timoschenko und dem früheren Chef des Sicherheitsdienstes SBU Walentyn Nalywajtschenko begleitet.

Doch Saakaschwilis Pläne, von Rzeszów aus mit dem Bus bis zur Grenze zu fahren, änderten sich schnell. Als der 49-Jährige im Przemyśl ankam, wo auf den Ex-Georgier Journalisten wartete, entschied er sich, doch mit dem Schnellzug nach Kiew weiterzufahren. »Wir haben uns überlegt, was wir nun machen«, sagte Saakaschwili auf der improvisierten Pressekonferenz. »In Krakowez ist das Risiko von Provokationen groß, zumal dorthin viele unsere Anhänger reisen. So würden wir für ihre Sicherheit sorgen.«

Dies funktionierte allerdings nicht, denn Ukrsalisnyzja, die ukrainische Bahn, wollte Saakaschwili anscheinend nicht an Bord haben. »Im Zug befindet sich eine Person, die nicht in die Ukraine einreisen darf. Sie sollte schnellstmöglich aussteigen«, hieß es.

So stand der Zug fast drei Stunden an der Haltestelle Przemyśl, ohne loszufahren. »Es ist lächerlich, es werden sogar polnische Gesetze gebrochen«, betonte Saakaschwili immer wieder. »Die Bahn nimmt Passagiere als Geisel, das geht nicht.« Trotzdem mussten Saakaschwili und seine Mitstreiter letztlich den Zug verlassen. Sie kehrten schließlich in einem Bus zurück, mit dem sie ursprünglich wieder nach Krakowez fahren wollten.

Die endgültige Wahl fiel jedoch auf den Grenzübergang Schehyni, bei dem Saakaschwili schnell und problemlos die polnische Grenze passierte. Allerdings wurde der Ex-Georgier von polnischen Grenzpolizisten gewarnt, sein Pass sei nicht mehr gültig und er könne Probleme bei der ukrainischen Kontrolle bekommen.

Anderthalb Stunden später wurde es allerdings klar, dass gar keine Grenzkontrolle stattfinden wird. Zuerst hatten die Ukrainer ihren Grenzübergang geschlossen, weil dort angeblich Minen gelegt worden sein sollten. Dass dies nur eine Ausrede war, wussten alle Beteiligten von Anfang an.

Als ukrainische Grenzpolizisten jedoch Parlamentsabgeordnete auf die Gelände des Kontrollpunktes ließen, war die Menschenmenge der Saakaschwili-Anhänger nicht mehr aufzuhalten. Sie umringten den Ex-Georgier schließlich - und er gelangte ohne jegliche Kontrolle auf ukrainisches Gebiet gelangt.

»Ich wollte das eigentlich anders machen«, erzählte der inzwischen angeblich staatenlose Saakaschwili. »Der Plan war, ukrainische Pässe an der Grenze abzugeben, eine Bescheinigung als Staatenloser zu holen und dann in der Ukraine vor Gericht gegen Ausbürgerung zu klagen.« Doch dies ging anscheinend nicht.

Anschließend fuhr Saakaschwili gemeinsam mit Timoschenko ins westukrainische Lwiw, wo er vom Bürgermeister und Anführer der Selbsthilfe-Partei, Andrij Sadowyj, am Marktplatz begrüßt wurde. Sadowyj gilt als scharfer Gegner des Präsidenten Petro Poroschenko. Dieser äußerte sich erst am Montag zum Fall Saakaschwili: »Es ist keine politische, sondern eine juristische Frage. Mir ist egal, wer die ukrainische Grenze verletzt - diese Person muss Konsequenzen tragen.« Diese könnten nun unterschiedlich aussehen.

Zuerst herrschte die Meinung, Saakaschwili könne lediglich mit einer Geldstrafe sowie einer 15-tägigen Festnahme rechnen. Weil die Nationale Polizei dem Ex-Georgier offenbar aber auch Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorwirft, ist jedoch sogar eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren nicht auszuschließen.

Saakaschwili selbst gab am Montag in Lwiw eine Pressekonferenz, auf der er über seine weiteren Pläne erzählte. »Mein ukrainischer Pass wurde an der Grenze geklaut, deswegen habe ich im Moment keine Pässe. Flüge sind für mich jetzt also ausgeschlossen«, betonte er. »Ich werde vorerst nicht nach Kiew reisen, aber ich werde alle Regionen des Landes besuchen und mich mit allen möglichen politischen Kräften vereinen.« Ob es ihm hilft, die miserablen Umfragewerte seiner Partei »Bewegung neuer Kräfte« zu verbessern, bleibt abzuwarten. Für den ukrainischen Präsidenten ist die erfolgreiche Saakaschwili-Show aber eine klare Niederlage.

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