Partisanin an der Plakatfront

Sächsische LINKE setzt im Wahlkampf auf den Pokemon-Effekt

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Manche Straßenzüge in der Dresdner Neustadt sind voller grüner Punkte. Dort, so offenbart die Karte auf dem Handybildschirm, hängen schon Wahlplakate der sächsischen LINKEN. Andere Straßen sind dagegen noch ohne Markierungen. Sie wären ein potenzielles Revier für Wahlkämpfer - und für die »Partisanin«: Plakate hängen, Standort ins Handy tippen, Punkte sammeln.

Die »Partisanin« ist eine App, mit der Sachsens Genossen Wahlkampagnen effektiver und zugleich sportlicher gestalten wollen. Das kleine Programm, das auf Smartphones und Tablets läuft, erlaubt der Wahlkampfzentrale einerseits einen Überblick darüber, in welchen Orten, Straßen und Häusern schon Plakate gehängt, Wahlkampfzeitungen in Briefkästen gesteckt oder Klingelknöpfe gedrückt wurden. Andererseits können sich engagierte Wahlkämpfer in einem Chatprogramm zu gemeinsamen Einsätzen verabreden - und in Zukunft sogar Punkte für ihr Engagement sammeln. In seiner finalen Version werde das Programm »eine Mischung aus Tinder und Pokemon Go sein«, sagt Thomas Dudzak, der Sprecher des Landesvorstands.

Dass Parteien versuchen, Wahlkampf dank Smartphone wirksamer zu gestalten, ist nicht neu. Bei den Piraten war eine Art Plakate-Karte jahrelang im Einsatz; allerdings erfreute die Benutzeroberfläche nur Computerfreaks. Die CDU nutzt im Haustürwahlkampf derzeit ein Programm namens »Connect 17«, das es erlaubt, für die Wahl relevante Themen und Meinungen zentral zu erfassen. Auch in der LINKEN gab es vor einigen Jahren auf Bundesebene einen Versuch - der aber nicht zuletzt an der damals noch deutlich weniger leistungsfähigen Technik scheiterte.

In Sachsen nimmt man jetzt einen neuen, äußerst ambitionierten Anlauf. Einerseits soll eine hinter der App laufende Datenbank nicht nur die Standorte von Plakaten samt etwaiger Beschädigungen oder von bereits gelaufenen Wahlkampfaktionen erfassen. Die Angaben sollen in Zukunft auch mit Sozialdaten bestimmter Quartiere und den dortigen Wahlergebnissen abgeglichen werden können - »in den engen Grenzen des Datenschutzes«, wie Dudzak betont. Weder wolle man wissen, wie Bewohner einer Wohnung gewählt haben, noch Bewegungsprofile der Wahlkämpfer erstellen. Ressourcen aber könnten dank der Daten künftig gezielter eingesetzt werden: Die Partei könne zum Beispiel ableiten, »wo es für uns wirkungsvoll ist, sich noch stärker zu engagieren«.

Zugleich erhält der Wahlkampf den Reiz eines Computerspiels. Engagierte können sich zu Gruppen zusammenfinden, zu gemeinsamen Kampagnen verabreden und Punkte sammeln - Highscores sollen mit virtuellen und realen Preisen belohnt werden. All diese Elemente deutet der Name der App an: »Partisanin« lässt an Einzelkämpfer in der Wahlkampfschlacht denken, aber auch den partizipativen, also auf Beteiligung orientierten Ansatz - und ein wenig klingt es sogar nach Party.

Manches davon ist freilich noch frommer Wunsch. Nach sechs Monaten reiner Entwicklungszeit mit einem Budget, das bei professionellen Computerfirmen für mitleidiges Lächeln sorgen dürfte, »sind wir noch längst nicht so weit, wie wir sein wollten«, räumt Dudzak ein. Das Kartentool und der Chat funktionieren, das Punktesammeln noch nicht - das spielerische Element fehlt. Dennoch hat man sich entschlossen, die existierende Version im Bundestagswahlkampf zu testen. Komplett einsatzfähig soll die »Partisanin« zur sächsischen Landtagswahl 2019 sein.

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