Buddeln, Bauen, Bürgerstunde

Die »Hausmeister vom Dorf« - was Ortsvorsteher so alles bewegen müssen. Ein Bericht aus Rheinland-Pfalz

  • Katharina Weygold, Mainz
  • Lesedauer: 4 Min.

Sie leiten Bürgerstunden, verhandeln mit der Stadt oder diskutieren auf Sitzungen des Ortsbeirats. Und das ist bei Weitem nicht alles. Mancher Ortsvorsteher in Rheinland-Pfalz baut Brücken, ein anderer bucht für Bürger Hotelzimmer. Unterstützung von der Stadt bekommen sie in ihrem Ehrenamt nicht immer.

Schrubben, Schleifen, Saubermachen: Der Ortsvorsteher vom Mainzer Stadtteil Ebersheim, Matthias Gill, packt beispielsweise gerne mal selbst mit an, um seinen Stadtteil voranzubringen. Sein neuestes Projekt: die Sanierung einer alten Tischtennisplatte. Die Platte steht schon seit einigen Jahren auf einem Spielplatz im Ort, war uneben geworden und »komplett hinüber«, wie Gill (Grüne) sagt. »Ich sehe auf dem Spielplatz oft einen Vater mit seinem Sohn Tischtennis spielen, und das hat mir so gut gefallen.« Die Platte sei aber kaum noch zu benutzen gewesen. Die Oberfläche war durch Wind und Wetter rau geworden.

Er habe bei den Vertretern vom Jugendamt nachgefragt, was man machen könnte. Aber: »Da ging's ganz schnell um irgendwelche Preise, und ich habe dann gesagt: Das probiere ich einfach selbst aus.« Also griff der 55-Jährige zur Stahlbürste, schrubbte die Platte sauber, schliff sie ab und ersetzte das alte Bindemittel, das vom Regen ausgewaschen worden war. Hilfe bekam er von zwei Schülern, die er zufällig auf dem Spielplatz traf.

Der gelernte Wasserinstallateur werkelt gerne mal für Ebersheim, hat schon Tische und Bänke gebaut und das Dach einer Grillhütte repariert. Besonders stolz ist er darauf, einen jahrhundertealten Brunnen ausgegraben und ausgemauert zu haben. »Als Ortsvorsteher mache ich ganz andere Sachen als vor 20 Jahren. Daher bin ich ab und zu auch mal froh, wenn ich solche Arbeiten machen kann.«

In den nächsten Tagen will er ausprobieren, ob die Bälle auf der Tischtennisplatte wieder so hüpfen, wie sie sollen. Ob er die etwa zehn anderen in die Jahre gekommenen Platten in Mainz-Ebersheim auch sanieren wird, hänge davon ob, die zwei Jungs ihm noch einmal unter die Arme greifen wollen.

Reiner Kiefhaber (SPD), Ortsvorsteher des Ortsbezirks Erfenbach in Kaiserslautern, vermutet, dass ihm sein handwerkliches Engagement Pluspunkte bei den Bürgern eingebracht hat. Er baute 2014 eine kleine Brücke aus Holz über den Bach im Ort und setzte sich so über die zuständigen Stellen hinweg. Die Bürger hatten sich die Brücke schon lange gewünscht, sagt Kiefhaber. Das Vorhaben sei jedoch nie realisiert worden, unter anderem wegen der Kosten von etwa 1000 Euro.

Der gelernte Handwerker nahm den Bau der Brücke schließlich selbst in die Hand, sein Arbeitgeber steuerte das Material bei. So habe das Unterfangen 50 Euro gekostet. »Ich würde mal behaupten, dass mir das einen Schub gegeben hat und mich in den Stadtrat katapultiert hat«, sagt der 55-Jährige. »Ich hatte danach auch ein deutlich besseres Wahlergebnis.« Er findet, dass er als Ortsvorsteher wenig Spielraum für große Projekte hat. »Weil man nur der Hausmeister vom Dorf ist. Bei dem schmalen Budget, das man hat, kann man das wirklich sagen.« Zudem müsse er alles mit der Stadt abstimmen.

Zügig selbst entscheiden musste Ortsvorsteher Udo Scheuermann (SPD), als im Oktober 2014 in Ludwigshafen eine Gasleitung explodierte. Zwei Menschen starben, 23 wurden verletzt. Etwa 50 Wohnungen im Stadtteil Oppau wurden so stark beschädigt, dass ihre Bewohner nicht mehr dorthin zurückkehren konnten. »Da kann man nicht lange fackeln, da muss man Zimmer besorgen«, erzählt Scheuermann.

Mit der Oberbürgermeisterin habe er sich nicht absprechen können, sagt Scheuermann, weil sie im Urlaub war. Er reservierte für die Betroffenen Zimmer in Hotels, damit sie ein Dach über dem Kopf hatten. Die Zeit rund um die Explosion sei die schwierigste in seinen 23 Jahren als Ortsvorsteher gewesen, erinnert sich Scheuermann. Gerade beschäftigt sich der 71-Jährige mit Krach in Oppau. Etwa vier Wochen lang ertrugen die Anwohner Lärm, der bei Arbeiten auf dem Gelände des Chemieriesen BASF entstand. Scheuermann versucht nun, einen Spagat hinzubekommen. »Man muss schauen, dass so ein Unternehmen Zukunftschancen hat, und auf der anderen Seite muss man sehen, dass die Nachbarn nicht über Gebühr gestresst werden.«

Eine Lärmbeschwerde in Oppau konnte Scheuermann schon klären. Er hat mit Jugendlichen einen Platz abseits der Ortsmitte eingerichtet, mit Baumstämmen als Sitzgelegenheiten. Dort können sich die Jugendlichen auch zu später Stunde verabreden, ohne Nachbarn zu stören. dpa/nd

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.