Kuba macht es Kleinunternehmern schwerer
Regierung will Unregelmäßigkeiten und Mängel prüfen
Auch an den Tagen danach war sie noch Straßengespräch Nummer Eins: Die Entscheidung der kubanischen Regierung, unter anderem vorerst keine neuen Geschäftslizenzen für die Vermietung von Ferienwohnungen, sowie Cafés und Restaurants zu vergeben. Man wolle das Kleinunternehmertum - in Kuba trabajo por cuenta propia (Arbeit auf eigene Rechnung) genannt - auf den Prüfstand stellen und Missstände beseitigen, hieß es. Die Maßnahmen seien Teil eines Prozesses »systematischer Revision und Perfektionierung, um Mängel zu korrigieren«, schrieb die kubanische Tageszeitung »Granma«. Illegalitäten und »Abweichungen« sollten so gestoppt werden.
Die Maßnahmen seien temporär, »bis die Perfektionierung der Arbeit auf eigene Rechnung abgeschlossen ist«. Ein Datum wurde nicht genannt. Diejenigen, die bereits Lizenzen besitzen, können ihr Geschäft weiterbetreiben. Laut offiziellen Zahlen sind derzeit rund 570 000 Kubaner im Privat- oder Genossenschaftssektor tätig - zwölf Prozent der arbeitenden Bevölkerung.
Nicht wenige aber befürchten ein Ende des seit der Regierungsübernahme durch Raúl Castro eingeleiteten Reformprozesses. Ana Mary und Yasser Hernández, die ein Hostel in Santa Clara betreiben, ihre richtigen Namen aber nicht in der Zeitung lesen wollen, reagieren leicht geschockt. »Das ist schon heftig«, sagt Yasser. »Aber ich habe es kommen gesehen. Jetzt wird das Rad zurückgedreht«, ist er sich sicher.
Vizearbeitsministerin Marta Elena Feitó dagegen erklärte gegenüber »Granma«, die getroffenen Entscheidungen bedeuteten »keinen Rückschritt in der Entwicklung« der Arbeit auf eigene Rechnung. Vielmehr solle die Organisation und Kontrolle gestärkt werden, um künftig auf »geordnete und effiziente Weise« weiterzumachen. Feitó begründete die Aussetzung der Lizenzvergabe durch die Behörden mit der aufgedeckten Verwendung von »Materialien und Gerätschaften verbotenen Ursprungs«, sowie der »Nichterfüllung von Steuerverpflichtungen und der Nichtdeklaration von Einnahmen«.
»Wo sollen denn die Baumaterialien herkommen, wenn der Staat keine Großmärkte schafft und es in den staatlichen Baumärkten nichts gibt, weil die staatlichen Angestellten alles unter der Hand verkaufen?«, empört sich Yasser. »Dort müsste zuallererst mal aufgeräumt werden.«
Dass neue Maßnahmen zur Regulierung des Privatsektors kommen würden, war absehbar. Kubas Präsident Raúl Castro hatte sie in seiner Rede vor der Nationalversammlung Mitte Juli angekündigt. Damit sollten Gesetzesverstöße und andere Illegalitäten stärker bekämpft werden. Gleichzeitig erklärte er aber, dass der Privatsektor ausgebaut werden solle.
Die Entscheidung der kubanischen Regierung erfolgt wenige Wochen, nachdem US-Präsident Donald Trump in harschen Worten eine Verschärfung der US-Kuba-Politik verkündet hatte. Die angekündigten Maßnahmen betreffen größtenteils zuvor gelockerte Reise- und Handelsbeschränkungen und Geschäfte mit dem kubanischen Militär. Einzelheiten sollen Mitte September veröffentlicht werden.
»Erst Trump und jetzt das«, kommentiert Ana Mary die kalte Dusche für Kubas Privatsektor. »Noch vor wenigen Monaten kamen Vertreter der Stadt zu uns und haben uns gesagt, wir sollen erweitern und weitere Zimmer anbieten, um Kapazitäten für die erwarteten Touristen zu schaffen. Wir waren damals schon skeptisch.«
Der gelernte Restaurator Alejandro García dagegen kann der Entscheidung der Regierung auch Positives abgewinnen: Es sei vielleicht gar nicht schlecht, mal innezuhalten und die Infrastruktur auszubauen. Überall sprießten neue Ferienwohnungen und Restaurants aus dem Boden - während in staatlichen Läden Bier, Erfrischungsgetränke, Klopapier und andere Artikel des täglichen Bedarfs kaum zu bekommen seien, weil in Ermangelung von Großmärkten alles von den Privatunternehmern aufgekauft wird. »Die Maßnahmen sind hart für die Cuentapropistas.« Aber man dürfe nicht vergessen, dass die nur einen kleinen Teil der Bevölkerung ausmatchen. »Für den ›Kubaner zu Fuß‹ hat sich trotz Reformen nicht viel geändert und die Regierung muss aufpassen, dass die Schere nicht zu weit aufgeht«, sagt García, der in einem Hostel in Havanna angestellt ist.
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