Ein Schritt zur Bürgerversicherung

Hamburg will Beamte beim Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung unterstützen

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Bürgerversicherung zur Finanzierung der Gesundheitsversorgung steht in den Wahlprogrammen - LINKE, Grüne und SPD bekennen sich dazu, ihre Konzepte unterscheiden sich nur in Nuancen. Doch bislang schien es unwahrscheinlich, dass das Vorhaben in der kommenden Legislaturperiode umgesetzt wird. Ein Gesetzentwurf, der am Dienstag in Hamburg vorgestellt wurde, weckt nun Optimismus bei Befürwortern der Bürgerversicherung: Beamte des Stadtstaats sollen zukünftig bei einem Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung staatliche Unterstützung erhalten. Andere Länder könnten dem Beispiel folgen. 60 Prozent der Wähler befürworten laut einer insa-Umfrage vom Juli eine einheitliche Bürgerversicherung.

Die Bundesländer haben seit längerer Zeit Schwierigkeiten, die staatliche Beihilfe für privat versicherte Beamte zu finanzieren. Nach einer im Januar veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung könnten die öffentlichen Haushalte jedoch bis zu 60 Milliarden Euro sparen, wenn Beamte in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert wären.

Die privaten Krankenversicherungen sperren sich gegen die Bürgerversicherung. Roland Weber, Vorstand des privaten Versicherers Debeka nannte das Kostenargument eine »Fake-Nachricht«. Er forderte zudem neue Regeln für Beitragserhöhungen, da bislang die teils sprunghaften Anstiege der Beiträge auf bis zu 2000 Euro monatlich den Ruf der Privaten schädigten. Weber verwies auf eine Studie des IGES-Instituts, nach der Beitragserhöhungen über einen längeren Zeitraum hinweg für privat Versicherte sogar geringer ausfallen als für gesetzlich Versicherte.

Insgesamt ergeben sich aus der privaten Krankenversicherung für Bund und Länder aber vergleichsweise hohe Kosten. Einmal die für Pensionsverpflichtungen der Beamten - diese summieren sich allein für die heutigen und früheren Beamten des Bundes auf 647 Milliarden Euro. Ein Viertel der Verpflichtungen entfällt jedoch allein auf die Beihilfe - jene Konstruktion, mit der Beamte und Pensionäre zwischen 50 und 80 Prozent der Krankheitskosten vom Staat erstattet bekommen.

Die Bundesländer haben gerade erst begonnen, die Kosten für die Pensionsversprechen neu zu berechnen. Allein in Baden-Württemberg wird der bisher angenommene Wert von 70 Milliarden Euro um 30 Milliarden aufzustocken sein. Versorgungsfonds und Rücklagen betragen dort zusammen aktuell 6,22 Milliarden Euro. Die Länder beschäftigen zur Zeit 70 Prozent der aktiven Beamten, darunter Lehrer und Polizisten. Beim Bund arbeiten 20 Prozent, die übrigen bei Kommunen und Sozialversicherungen.

Der Hamburger Vorstoß, nach dem Beamte dort in Zukunft in die gesetzliche Krankenkasse wechseln können, könnte auch in anderen Bundesländern entsprechende Veränderungen anregen. Bisher müssen Beamte, die in die gesetzliche Versicherung wechseln, die Beiträge allein tragen. Hamburg will in diesen Fällen nun die Hälfte der Kosten übernehmen. Vorteile brächte das vor allem für Alte und chronisch Kranke. Nach dem Hamburger Gesetzentwurf dürfen die gesetzlich versicherten Beamten jedoch nicht zurück in eine private Kasse wechseln. Für den Wechsel in die gesetzliche Versicherung werden in Hamburg zudem auch die bundesgesetzlichen Regeln gelten, nach denen Beamte nicht älter als 55 Jahre sein dürfen und bestimmte Vorversicherungszeiten in der gesetzlichen Kasse nachweisen müssen. Damit ist der Weg für 40 000 Landesbeamte und 30 000 Pensionäre versperrt. Es werden also nur 2400 Beamte in die gesetzliche Kasse wechseln können. Der Gesetzentwurf soll im August 2018 in Kraft treten. Zunächst werden dann für die gesetzlichen Kassenbeiträge zusätzliche Kosten in Höhe von 2,4 Millionen Euro anfallen, langfristig erhofft die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) sich jedoch Kosteneinsparungen. Die Zukunft der Bürgerversicherung hängt nun zu einem Teil vom Erfolg des Hamburger Modells ab.

Wie eine ebenfalls am Mittwoch veröffentlichte Studie des Kieler Instituts für Mikrodaten-Analyse zeigt, würden Kassenbeiträge von derzeit 15 auf 17 Prozent ansteigen, wenn private und gesetzliche Kassen zusammengelegt würden. Die Studie zeigt jedoch auch, dass sich die Finanzierung des Gesundheitssystem insgesamt nicht verschlechtern würde.

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