Elf Kilometer Brücke auf Lager - für alle Fälle
Rheinland-Pfalz: In Konz gibt es ein bundesweit einmaliges Depot der Deutschen Bahn, ohne das der Schienenverkehr kaum noch laufen würde
Demnächst startet eine Kolonne mit 45 Lastwagen von Konz an der Mosel nach Bremen. An Bord: zwei sogenannte »Hilfsbrücken« der Bahn, in zerlegter Form. In Bremen werden sie montiert und ersetzen zwei ausgediente Eisenbahnbrücken - bis die neuen fertig werden. So steht der Betrieb nicht über Monate still. Rund 630 Hilfsbrücken werden im bundesweit einzigen Brückenlager der Deutschen Bahn in Konz verwaltet. Über 400 davon sind gerade im Einsatz.
»Prinzipiell sind wir im Moment ziemlich leergeputzt vom Lager«, sagt Heiko Bukall, der Leiter der Instandsetzung bei DB Netz für Hessen und Rheinland-Pfalz. Das liegt auch am Zustand der Eisenbahnbrücken in Deutschland. 875 Eisenbahnbrücken will die Deutsche Bahn bis 2019 modernisieren. Das Durchschnittsalter der deutschen Eisenbahnbrücken liegt nach Angaben der Bahn bei 57 Jahren, viele sind über 100 Jahre alt.
Mehr als 1000 der bundesweit rund 25 000 Eisenbahnbrücken fallen in die niedrigste »Zustandskategorie 4«. Diese Brücken gelten zwar als sicher, aber auch als dringend sanierungsbedürftig. Wirtschaftlich sei es sinnvoller, diese Brücken komplett zu ersetzen, heißt es bei der Bahn. Wenn der Betrieb auf diesen Strecken dann nicht über Monate oder Jahre stark eingeschränkt sein soll, heißt das: Hilfsbrücken errichten.
In der Konstruktionshalle in Konz krachen Hämmer auf Stahl und Funken fliegen durch die Luft. 52 neue Hilfsbrücken sind für 2017 angekündigt. Auch eine »richtige« Brücke wird gerade gefertigt. Dazu kommt die Wartung der vorhandenen Bauwerke. Etwa 30 Metallbauer kümmern sich darum. »Das ist schon was Besonderes hier«, sagt Reiner Schäfer. Er arbeitet seit 1982 in Konz. Sein jüngerer Kollege Marcel Folz prüft mit einem Drehmomentschlüssel, der etwa halb so lang ist wie ein Arbeiter groß, wie stark die Schrauben in den stählernen »Zwillingsträgern« festgezogen sind.
Auf das Trägersystem kommen später die Schienen. Jeder Griff muss sitzen. Es geht um die Sicherheit. »Das ist so wie eine Art TÜV«, sagt Schäfer. Vor Ort werden die Hilfsbrücken dann in einigen Stunden oder wenigen Tagen an der Stelle montiert, wo eine alte Brücke abgerissen wurde. Während die neue von unten hochgezogen wird, brettern über die Hilfsbrücke darüber die Züge. Deren Gewicht spiele keine Rolle, sagt ein Bauingenieur der DB Netz. Bis vor einigen Jahren gab es noch vier weitere Brückenlager, dann wurde alles in Konz zusammengelegt. Die hier gelagerten Brücken wären aneinandergereiht über elf Kilometer lang. 35 000 Tonnen wiegt das Material. Und das Lager wächst weiter.
Facharbeiter seien ein wesentliches Rückgrat für die Schieneninfrastruktur, sagt Ute Plambeck, Personalvorstand der DB Netz AG und damit verantwortlich für die Arbeiter in Konz. Digitalisierung alleine reiche nicht. »Ich brauche auch die handfeste, analoge Welt, um unsere Bahnstrecken verlässlich zu betreiben«, sagt Plambeck. Dafür stehe auch Konz.
Am 1. September fangen etwa 950 Auszubildende bei der DB Netz an, erklärt Plambeck. Über die Hälfte davon in technischen und handwerklichen Berufen: Darunter Metallbauer, Gleisbauer, Industriemechaniker und Mechatroniker. In Konz werden jährlich ein bis zwei Auszubildende eingestellt. Die Bahn braucht sie: Die Schienenbetreiber seien verpflichtet, ihren Betrieb sicher zu führen und auch Brücken selbst sicher zu bauen und in betriebssicherem Zustand zu halten, sagt ein Sprecher des Eisenbahn-Bundesamts.
Neben Sicherheit geht es auch um Pünktlichkeit. »Die Pünktlichkeit ist bis zum Sommer gut gewesen. Sie wird jetzt in Einzelfällen aber wieder schlechter«, sagt Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn. Besonders ärgerlich sei es, wenn wegen vieler Baustellen Streckenabschnitte nur eingleisig befahrbar seien. Dann müssten langsamere Züge oft warten und die schnelleren vorbeilassen. Dagegen helfen unter anderem: Hilfsbrücken. dpa/nd
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