Schlag gegen den Kemalismus

Roland Etzel zur Auswechslung der türkischen Militärspitzen

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 1 Min.

Der türkische Präsident Erdogan scheint sich der unbedingten Gefolgschaft seiner Militärs für seinen Kurs nicht sicher zu sein. Die Absetzung der Chefs der drei Teilstreitkräfte, nachdem in den vergangenen zwölf Monaten seit dem Putschversuch bereits 150 von 360 Generälen ihren Rang verloren hatten, zeigt die strategische Richtung seiner »Säuberungen« in den oberen Ebenen der Hierarchie: Es geht um den Umbau des streng laizistisch verankerten Staates Kemal Atatürks hin zu einer islamisch geprägten Republik.

Diesen schleichenden Sturz der politischen Ordnung, und das wäre es, denn der Kemalismus hat am Bosporus mindestens soviel wie Verfassungsrang - noch -, haben vor Erdogan bereits andere politische Führer in der Türkei gewagt; ob Ministerpräsident Menderes in den 50er oder Amtsnachfolger Erbakan in der 90er Jahren. Beide Versuche scheiterten im eisernen Würgegriff der Generalität, der die Loyalität gegenüber dem Kemalismus stets uneingeschränkten Vorrang hatte vor dem Treueeid gegenüber der gerade aktuellen Staatsführung.

Eingedenk dessen glaubt Erdogan offenbar erfolgversprechender zu agieren, indem er zuerst den Streitkräften die vermeintlich laizistischen Köpfe abschlägt und dann die Verfasstheit der Republik nach seinem Gusto verändert. Bis jetzt geht seine Rechnung auf.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.