Kerber trotzig, Zverev hofft
Für die besten deutschen Tennisprofis steht in Wimbledon das Achtelfinale an
Ein Bild bringt die Erinnerungen zurück. Und damit die Hoffnung. Angelique Kerber reißt das rechte Bein in die Höhe und den Mund weit auf. Die Unterarme winkelt sie an, die freie Hand ballt sie zur Faust. Mit der linken umklammert sie ihren Schläger. Vor Glück schreit sie laut auf. Nach Wochen voller Niederlagen, Selbstzweifeln und Kritik war Kerbers Jubelpose, in ihrem traumhaften Tennisjahr 2016 ein Markenzeichen, beinahe in Vergessenheit geraten. In Wimbledon hat die Kielerin sie wiederentdeckt, und auch wenn sie noch auf der Suche nach ihrer Bestform ist: Immerhin den Kampfgeist hat Kerber gefunden.
»Es ist wichtig für mich zu sehen, dass ich es noch kann. Ich kann wieder Matches drehen«, sagte die Vorjahresfinalistin nach dem hart erkämpften 4:6, 7:6, 6:4 gegen Shelby Rogers aus den USA. »Vielleicht ist das der Wendepunkt. Wir werden sehen. Auf jeden Fall war das ein wirklich wichtiger Sieg.« Mit dem Rücken zur Wand, als Außenseiterin, auf die niemand mehr auch nur ein Pfund setzen will - so fühlt sich Kerber am wohlsten. Die Amerikaner hatten ihr einst den Spitznamen Houdini verliehen, Kerber erinnerte sie an den großen Entfesselungskünstler, der sich mit Tricks und Täuschungen aus jeder noch so ausweglosen Enge befreien konnte. Die Illusion einer Weltklassespielerin wird Kerber im Achtelfinale am Montag jedoch kaum ausreichen.
»Ich kann nicht nur hoffen und rüberbringen«, sagte Kerber vor dem Duell mit der Spanierin Garbine Muguruza. Dafür schlage die Wimbledonfinalistin von 2015 »zu doll, dafür ist sie zu gut und erfahren.« Die letzten vier Aufeinandertreffen mit Muguruza, die in diesen Wimbledon-Tagen noch ohne Satzverlust ist, hat sie verloren, aber »das hat gar nichts zu sagen.«
Trotz spricht aus ihrer Stimme. Die Rolle der Branchenführerin, die alleine durch majestätische Ausstrahlung die Konkurrenz einschüchtert, lag ihr nie. Das Bild der Kämpferin mit weit aufgerissenem Mund und geballten Fäusten taugt eher dazu, sich verlorenen Respekt zurückzuholen.
Respekt bei den Kollegen erarbeitet hat sich Alexander Zverev nicht erst in Wimbledon, auch wenn er im All England Club erstmals in seiner jungen Karriere die zweite Woche eines Grand-Slam-Turniers erreicht hat. Dort trifft er am Montag auf den Kanadier Milos Raonic, der im vergangenen Jahr erst im Finale gestoppt worden war.
Für seinen Bruder Mischa, der gegen den Schweizer Roger Federer ausschied, ist der 20-Jährige kein Außenseiter: »Er hat sehr gute Chancen.« Auch der Hamburger Jungstar selbst sieht ein offenes Duell, immerhin hat er Raonic in Rom bereits geschlagen. »Milos und ich haben in diesem Jahr auf hohem Niveau gespielt. Daher wird es ein schwieriges Match für uns beide werden«, sagte Alexander Zverev. SID/nd
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