NoG20 in Hamburg: Wiese vor Johanniskirche besetzt

Zivilgesellschaftliche Organisationen fordern gemeinsam vom Senat die Achtung der Grundrechte ein

  • Elsa Koester (Hamburg) und Robert D. Meyer (Berlin)
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Reaktion der Beamten*innen am Dienstagmittag auf dem Hamburger Rathausplatz wirkt fast ein wenig wie der bestellte Beweis der G20-Gipfelkritiker*innen für die beständig weiter wachsende Repression durch die Sicherheitsbehörden. Als Vertreter*innen mehrerer Gruppen, darunter die Grüne Jugend, die DGB-Jugend sowie die Interventionistische Linke (IL), ein gemeinsames Foto schießen wollen, mischt sich die Polizei ein, will den Schnappschuss sogar verbieten.

Das Motiv könnte kaum harmloser sein: Etwas mehr als ein Dutzend Vertreter*innen von Parteien, Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften stehen in einer Reihe und halten Schilder mit dem Schriftzug »Wir zeigen Haltung für Demokratie« in den Händen. Was, wenn nicht solche Aktionen, meinte Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD), als er den G20-Gipfel ein »Festival der Demokratie« nannte?

Doch Senat und Sicherheitsbehörden machen den G20-Kritikern seit Wochen deutlich, dass Protest lediglich innerhalb eines äußerst engen Rahmens geduldet wird. Demo-Verbote, der andauernde Rechtsstreit um die Protestcamps – selbst wenn das Recht auf Seiten der Aktivisten ist, wie im Fall von Entenwerder, kommt es zu massiver Repression durch die Polizei.

Die Vertreter*innen der verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen erklärten auf ihrer öffentlichen Pressekonferenz auf dem Jungfernstieg: »Wir zeigen Haltung für Demokratie.« Sie riefen den Senat der Stadt auf, demokratische Grundrechte wie das Versammlungsrecht zu garantieren. »Es geht nicht an, dass in Hamburg ein Klima der Angst geschürt wird«, sagte Jeanine Weigel von der DGB-Jugend Nord. Ingesamt 17 Sprecher von Jugend- und Umweltverbänden, Religionsvertreter und Juristen wandten sich in Sichtweite des Rathauses mit einminütigen Statements an die Öffentlichkeit.

Schauspieler und ver.di-Mitglied Rolf Becker forderte von den Gewerkschaften, Stellung zu beziehen gegen die G20. »Nehmt an den Demonstrationen teil«, rief der 82-Jährige. Er ermunterte alle Hamburger, angereiste Protestierende in ihren Wohnungen aufzunehmen. »Je mehr Demonstranten wir dadurch in die Innenstadt holen, desto schwerer machen wir es der Polizei.«

Christoph Bautz vom Kampagnennetzwerk »Campact« sagte: »Das Versammlungsrecht ist einer der Grundpfeiler einer lebendigen und streitbaren Demokratie. Es darf in Hamburg nicht im Kleinkrieg der Polizei um Camp-Flächen und von einer 38 Quadratkilometer großen Demonstratrionsverbotszone zerrieben werden.«

Selbst die Pröpste des evangelischen Hamburger Kirchenkreises Hamburg-Ost kritisierten die Übernachtungsverbote in den G20-Protestcamps. Diese Verweigerung führe dazu, dass die ohnehin angespannte Situation zusätzlich eskaliere, heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten Schreiben. Es sei daher notwendig, dass die Stadt den friedlichen G20-Protestierern die Möglichkeit gibt, auf geeigneten öffentlichen Plätzen Übernachtungscamps aufzubauen.

Aktivist*innen besetzten Wiese vor der Johanniskirche

Letztere Botschaft nahm der Wendland-Treck wörtlich. Sie haben die Nase voll. Seit Tagen hindert die Polizei sie daran, ihre Zelte und ihre Infrastruktur auf dem Antikapitalistischen Camp in Entenwerder aufzubauen. Am Dienstagnachmittag haben die Aktivisten*innen kurzerhand entschieden, die Sache selbst in die Hand zu nehmen – und ihr Camp auf der Wiese vor der Johanniskirche nahe der Sternschanze aufzubauen. Seit 12 Uhr stehen die Zelte, es gibt Kaffee und Tee. Die Stimmung ist entspannt und die Sonne scheint.

»Unsere Geduld war einfach am Ende«, sagt Alma Wunder. »Wir werden jetzt hier bleiben.« Die Polizei sei kurz vor Ort gewesen, so die Wendländerin, habe sich dann aber wieder zurück gezogen. »Die klären jetzt, ob das Gelände der Kirche gehört – und ob sie hier überhaupt eine Verfügungsgewalt haben.« Und die Kirche hat die Camper*innen mit offenen Armen empfangen? »Das nicht«, räumt Alma ein, »sie haben natürlich einige Ängste formuliert, über den generellen Ausnahmezustand in Hamburg, und die Befürchtung, dass das Kirchengelände in die Auseinandersetzungen hinein gezogen wird.« Der Track habe sich jedoch rechtzeitig bei der Kirche angekündigt und die evangelische Gemeinde habe nichts dagegen unternommen, dass die Wiese besetzt wird.

Auch die Aktivist*innen machen sich Sorgen. »Viele hier haben Angst, dass die Polizei ähnlich gewalttätig wird wir in Entenwerder«, erklärt Alma. »Aber die Empörung über die Versammlungsverbote waren bei uns so groß, dass wir uns entschieden haben zu handeln.« Es sei allerdings auch viel Positives zu berichten. Die Solidarität unter den Hamburger*innen wachse und ihnen seien bereits viele Schlafplätze zur Verfügung gestellt worden. »Darüber freuen wir uns sehr. Uns ist es ein Anliegen, unsere solidarische Lebensform aus den Wendland-Kommunen, das gute Leben, nach Hamburg zu bringen.« Im neuen Camp gebe es einen Konsens der Gewaltfreiheit. »Wir sind hier, um friedlich unseren Protest zu zeigen«, so Alma, »aber nach allem, was hier passiert ist, kann ich nicht für alle meine Hand ins Feuer legen. Ich merke, wie bei vielen hier die Wut wächst.«

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