Kleve wird sein Kleingeld nicht los
NRW: Beteiligung an der Cent-»Revolution« zu gering
Die Schilder stehen noch - auch in den sechs deutschen Filialen des Kranenburger Bäckermeisters Gerd Derks: »Geehrte Kunden, wir runden«, steht da. »In unseren drei niederländischen Filialen ist das ja sowieso normal, auf der deutschen Seite der Grenze aber auch nach über einem Jahr Pilotprojekt noch nicht«, sagt Derks.
Der Bäcker Derks im nordrhein-westfälischen Kreis Kleve macht mit bei dem, was im vergangenen Jahr unter »Klever Kleingeld-Revolution« lief und bundesweite Schlagzeilen machte: Die erste deutsche Stadt schafft das Kleingeld ab. »Schön wär's«, sagt Bäckermeister Derks. »Hier häufen sich immer noch die Ein- und Zwei-Cent-Stücke.« Und in weitere Städte übergeschwappt ist die Idee ebenfalls nicht, »auch wenn es viel Interesse gab«, sagt Joachim Rasch, Vorsitzender des Klever City Netzwerkes, dem Händlerbund, auf dessen Mitgliederversammlung Ende 2015 die Idee aufkam. Etwa 80 Händler im niederrheinischen Landkreis beteiligten sich, Tendenz: sinkend.
Auf den nächsten vollen Fünf-Cent-Betrag des gesamten Preises wird auf- oder abgerundet - wie in den nahen Niederlanden, wo die roten Kleinstmünzen quasi gar nicht mehr vorkommen. In Kleve ist das Runden freiwillig. Die kleinen Münzen bleiben gültiges Zahlungsmittel.
Allerdings kein beliebtes: Die Prägung einer Ein-Cent-Münze kostet etwa 1,65 Cent, die einer Zwei-Cent-Münze 2,1 Cent, gibt zum Beispiel die irische Zentralbank an. Die Münzen sind für die Bank also ein Minus-Geschäft. Obendrein würden Bürger sie auch viel häufiger horten als andere Münzen »und sogar wegwerfen, weil sie im Portemonnaie stören«, sagt Banksprecherin Claire Martinez. Die EU-Kommission stellte 2013 die Abschaffung der kleinen Cent-Münzen zur Debatte.
Irland begann fast zeitgleich mit dem Klever Pilotprojekt, auf Fünf-Cent-Beträge zu runden - allerdings staatlich initiiert und im ganzen Land: 80 Prozent aller irischen Händler runden, 93 Prozent aller Kunden finden es gut oder zumindest okay. Entsprechend bleibt man auf der grünen Insel dabei.
Und in Kleve? Mehr als 80 Prozent der Kunden finden das Runden gut, die Hälfte davon sogar sehr gut, wie eine Begleitstudie der Hochschule Rhein Waal zeigt. Auch die befragten Händler, bei denen gerundet wird, befürworten die Praxis: 26 Prozent finden sie sehr gut, 31 Prozent gut.
Trotzdem machen nur wenige bei dem Projekt mit: zwischen 50 und 80, schätzt das Händler-Netzwerk. »Leider mit eher sinkender Tendenz.« Von den Nicht-Teilnehmern gehen viele davon aus, dass die Kunden das Runden nicht akzeptieren und dass die Umstellung zu schwierig ist, sagt Joachim Lempp von der Hochschule Rhein Waal, Mitautor der Studie. Und probieren es deswegen erst gar nicht. »Bei Bargeld-Themen tickt Deutschland eben anders, das zeigt sich hier auch wieder an diesen Erwartungen der Händler.«
Das Klever City Netzwerk will das ganze Projekt wiederbeleben, sagt Joachim Rasch. »Die Bevölkerung ist offen dafür, das zeigt die Studie ja ganz deutlich.« Es funktioniere aber nur, wenn mehr Händler mitmachen und die Idee Alltag werde - wie in den Niederlanden. epd/nd
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