Russland wegen Homofeindlichkeit verurteilt

Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilt: das »Propaganda-Verbot« für Homosexualität verstößt gegen die Menschenrechte

  • Lesedauer: 2 Min.

Straßburg. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Russland wegen seiner Anti-Schwulen-Gesetze verurteilt. Das Verbot von »Propaganda für Homosexualität« verstößt aus Sicht der Straßburger Richter gegen die Meinungsfreiheit und das Diskriminierungsverbot. Es erfülle keinen legitimen öffentlichen Zweck und fördere vielmehr Homophobie, heißt es in dem Urteil von Dienstag.

In Russland wird bestraft, wer sich in Anwesenheit Minderjähriger positiv über Homosexualität äußert. Wladimir Putin unterschrieb das Gesetz 2013. Bei Zuwiderhandlung droht die russische Justiz mit Geldbußen und bis zu 90 Tagen Haft. Auf regionaler Ebene traten bereits 2003 und 2006 ähnliche Gesetze in Kraft. Die Gewalt gegen Schwule und Lesben hat seitdem in Russland zugenommen.

Geklagt hatten drei Aktivisten, Sie hatten gegen die Gesetze protestiert - unter anderem vor einer Schule und einer Kinderbibliothek. Ihnen wurden deshalb von der russischen Justiz Geldbußen auferlegt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg sprach ihnen nun Entschädigungen zwischen 8000 und 20 000 Euro zu. Dabei wiesen die Richter die Sicht der russischen Regierung zurück, dass ein »Bedürfnis nach Schutz der Sitten« die Regulierung der öffentlichen Debatte rechtfertige. Ebenso wenig wollten sie Risiken für die Volksgesundheit oder eine »Konversion« von Minderjährigen zur Homosexualität erkennen.

Einstimmig erging das Urteil allerdings nicht. Der europäische Gerichtshof setzt sich auf Richtern aller Staaten zusammen, die die europäische Menschenrechtskonventionen unterzeichnet haben. Dementsprechend gehören dem Gerichtshof derzeit 47 Richter an. Der russische Richter Dmitry Dedov schloss sich dem Urteil nicht an. Das Privatleben von Kindern sei wichtiger als die Meinungsfreiheit von Homosexuellen, schrieb er in seiner abweichenden Meinung.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Moskau kann beantragen, es von der Großen Kammer überprüfen zu lassen. Seit Ende 2015 gilt in Russland außerdem ein Gesetz, das es dem nationalen Verfassungsgericht erlaubt, Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs zu überprüfen. Das widerspricht jedoch Russlands Verpflichtung, als Mitglied des Europarats die Urteile aus Straßburg umzusetzen. dpa/nd

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