A Mensch
Personalie
Der jüdische Rabbiner im Ornat neben dem evangelischen Pastor, der Rabbiner als Badender in Meereswogen oder der Rabbiner, der auf Ascot unterm grauen Zylinder des distinguierten Briten das Pferderennen verfolgt: Beispiele für die Vielfalt der Bilder von Mecklenburg-Vorpommerns mittlerweile 90-jährigem Landesrabbiner William Wolff. Gleichfalls vielfältig sind die Attribute, die man ihm zugesellt hat: »Ein Gentleman vor dem Herrn« etwa oder »der ungewöhnlichste Rabbiner der Welt«. Er selbst nennt sich »Arbeitstier«. Zu Recht. Denn trotz hohen Alters ist er im guten Sinne rastlos, pendelt zwischen Wohnsitz London und Amtssitz in Schwerin, leistet Seelsorge in jüdischen Gemeinden, engagiert sich im interreligiösen Dialog. Mit dem Bundesverdienstkreuz ist er ausgezeichnet worden, und Schwerin verlieh ihm 2014 die Ehrenbürgerschaft.
Zum Ehrenbürger wurde William Wolff nun auch von der Hansestadt Rostock ernannt. Weiterer Höhepunkt einer ungewöhnlichen Vita. In Berlin 1927 geboren, waren Wilhelm Wolff und seine Eltern 1939 vor den Nazis nach London geflüchtet. »Willy« studierte Nationalökonomie, wurde Journalist beim »Daily Mirror«. Als Auslandskorrespondent jener Zeitung kam er ab und zu in die alte Heimat, war dort in der Fernsehsendung »Der politische Frühschoppen« ein geschätzter Gesprächspartner.
Erst 1979 erfüllte sich Wolff einen Kindheitstraum, begann das Studium zum Rabbiner. Fünf Jahre später wurde er ordiniert, wirkte in britischen Gemeinden, bis ihn 2002 der Ruf nach Deutschland ereilte: nach Mecklenburg-Vorpommern, wo er das Amt des Landesrabbiners übernahm. Noch immer übt er es aus, seit 2015 ehrenamtlich. So außergewöhnlich ist das Leben dieses Mannes, dass er 2016 Mittelpunkt eines abendfüllenden Kinofilms wurde: »Rabbi Wolff«. Auch in jener Dokumentation wird deutlich, dass Rostocks neuer Ehrenbürger trotz tiefer Religiosität, trotz eines Amtes, das ihn mit dem Transzendenten verbindet, stets »auf der Erde« geblieben ist. Eben »a Mensch«, wie es im Jiddischen heißt.
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