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Gefährder frei - Haftbefehle ohne Wirkung

Das Bundeskriminalamt sucht 100 Terrorverdächtige vom Format »Weihnachtsmarktattentäter«

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.

Wehret den Anfängen, lautet ein Sprichwort. Genau das haben die Sicherheitsbehörden im Fall des Weihnachtsmarktattentäters Anis Amri nicht getan. So konnte der islamistische Gefährder am 19. Dezember 2016 in Berlin elf Menschen töten und über 50 zum Teil schwer verletzen.

Sicherheitsbehörden und Politiker waren sofort zur Stelle mit weiteren Schlussfolgerungen. Sogar eine von der Universität Zürich entwickelte Software richtet das Bundeskriminalamt (BKA) jetzt mit den Landesämtern ein, die anhand bekannter Fakten die Gefährlichkeit eines Verdächtigen bewertet. Man überwacht Verdächtige mit Fußfesseln und Bayern will islamistische Gefährder in Zukunft unbegrenzt in Präventivhaft nehmen. Was bringt das alles? Schlagzeilen im Wahlkampf und das Gefühl: Die tun was.

Doch in Deutschland sind nach jüngsten Angaben des BKA 351 Haftbefehle gegen mutmaßliche Islamisten nicht vollstreckt. Das ist ein Drittel mehr als vor einem Jahr. Dabei haben die Tatvorwürfe in der Regel noch keinen terroristischen Hintergrund. Zur Last gelegt werden meist alltägliche kriminelle Handlungen. Es geht um Hass, Diebstahl, Urkundenfälschung, Drogenhandel, Bedrohung, Raub, Körperverletzung und um Leute, die verdächtigt werden, terroristische Vereinigungen gegründet zu haben oder Mitglied einer solchen zu sein.

In der Liste sind allerdings auch zahlreiche sogenannte Interpol-Rotecke-Fahndungen aus dem Schengen Informationssystem (SIS) aufgelistet. Das bedeutet, es gibt einen Haftbefehl einer ausländischen Behörde, deren Gründe den um Hilfe gebetenen deutschen Kollegen nicht bekannt sind. Die meisten der so Gesuchten sollen sich an Dschihad-Kampfhandlungen beteiligt haben.

Eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic bestätigt, dass unter den mit Haftbefehl Gesuchten 100 sogenannte Gefährder sind. Hinzu kommen sieben »relevante Personen« aus dem Umfeld von Gefährdern. Dass sie nicht gefasst sind, bestärkt die gelernte Polizistin Mihalic in ihrer Ansicht: »Wir haben keinen Mangel an noch schärferen Sicherheitsgesetzen, sondern ein massives Vollzugsproblem!«

Warum werden sie nicht festgenommen? Weil sich die Personen im Ausland aufhalten, sagt die Bundesregierung und Sicherheitsbehörden bestätigen das - allerdings immer mit dem Zusatz: Soweit wir das wissen.

Laut Parlamentarischem Kontrollgremium, das für Geheimdienste zuständig ist, hat sich die Anzahl der »Gefährdungssachverhalte des islamistischen Terrorismus« zwischen 2012 und 2016 verdoppelt. Zuletzt rechnete man mit 233. Die Anzahl der Gefährder hat sich im selben Zeitraum auf 584 verfünffacht. Im Jahr 2016 prüfte das BKA »440 Einzelhinweise auf das Vorliegen einer Gefährdung deutscher Interessen und Einrichtungen im In- und Ausland«. Anis Amri, der sich vom Kleinkriminellen zum terroristischen Mörder entwickelte, gehörte dazu.

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