Teheran setzt zunächst auf kaltes Kalkül

Nach den Anschlägen sind die Hintergründe unklar

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Schock sitzt tief: Attentäter hatten am Mittwoch das iranische Parlament und das Grabmal von Revolutionsführer Khomeini angegriffen; mindestens sieben Menschen wurden getötet.

Die Anschläge trafen die Islamische Republik ins Herz: Der 1989 verstorbene Ayatollah Khomeini wird hoch verehrt; das Parlament ist, auch wenn seine Machtbefugnisse eingeschränkt sind, ein Symbol des Nationalstolzes. Dass es einer bislang unbekannten Zahl von Attentätern gelang, im Abstand von einer halben Stunde vor dem Grabmal eine Bombe zu zünden, ins Parlament zu stürmen und sich dort stundenlang zu verschanzen, hat im Land für Aufruhr gesorgt.

Wer für die Anschläge in Teheran verantwortlich ist, war unklar. Während Sprecher des geistlichen Führers Ayatollah Ali Chamenei und von Präsident Hassan Ruhani zur Besonnenheit aufriefen, bekannte sich der Islamische Staat über seinen Propaganda-Kanal Amaq zu den Anschlägen. Verifizieren lässt sich das nicht. Anschläge sind bislang ausgesprochen selten und betreffen vor allem die Provinz Sistan-Balutschistan an der Grenze zu Pakistan. Dort lebt eine große sunnitische Minderheit; in den vergangenen Jahren waren dort zwei miteinander verbündete Gruppen namens Jaisch ul Adl (Armee der Gerechtigkeit) und Ansar al Furkan aktiv. Darüber hinaus ist in der Region eine Gruppe namens Dschundollah tätig, die heute dem IS nahe steht und zwischen 2005 und 2010 Anschläge in Iran verübte. Nach 2010 trat die Gruppe durch Anschläge in Pakistan in Erscheinung; in Iran erklärte die Regierung Dschundollah für »tot«, nachdem 2009 und 2010 nahezu die gesamte bekannte Führungsriege hingerichtet worden war. Zuletzt hatte Jaisch ul Adl, die sich zu Al Qaida bekennt, am 26. April 2017 einen Militärkonvoi angegriffen, und neun Soldaten getötet.

Ansar al Furkan indes war seit 2013 vor allem durch Predigten und politische Schriften aufgefallen; dennoch richtete sich das Augenmerk in Iran vor allem auf diese Gruppe; in Sistan gab es Massenfestnahmen. Denn Geheimdienstministerium und Revolutionsgarden hatten in vergangenen Jahren Saudi-Arabien vorgeworfen, Ansar al Furkan und dessen Vorgängergruppen Harakat Ansar Iran und Hizbul Furkan finanziell und logistisch zu unterstützen. Dies war in den Medien Anlass für eine Vielzahl von Theorien, während sich Sicherheitsapparat und Politik zurück hielten: Man müsse erst einmal herausfinden, was passiert sei, die Lage unter Kontrolle halten, sagte ein Sprecher des Geheimdienstministeriums.

Saudi-Arabien ist einer der Erzfeinde Irans; seit Jahren führt man einen kalten Krieg gegeneinander, während Katar recht enge Beziehungen zu Iran pflegt. »Dies ist eine unfassbar gefährliche Situation«, sagte Vizepräsident Eschak Dschahangiri, der dem Reformerlager angehört, und verweist darauf, dass konservative Politiker von Krieg sprachen, während sich die Angreifer noch im Parlament befanden, Berichte über Explosionen in der U-Bahn die Runde machten: »Wir sollten jetzt erst einmal heraus finden, wer dahinter steckt, und dann erst über das richtige Vorgehen nachdenken.«

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