Neue Vorwürfe gegen Kripo

Landeskriminalamt soll laut TV-Bericht Beschattung Anis Amris vorgetäuscht haben

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Vorwurf wiegt schwer. Das ARD-Politmagazin Kontraste behauptet, dass das Landeskriminalamt in Berlin in den Akten nur vorgetäuscht habe, dass der Tunesier Anis Amri - der spätere Attentäter vom Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz mit zwölf Toten - beschattet worden sei. Dem Fernsehbericht vom vergangenen Donnerstagabend zufolge wollte die Berliner Generalstaatsanwaltschaft Amri zweigleisig verfolgen: Zum einen wegen Terrorverdachts, zum anderen wegen bandenmäßigen Drogenhandels. Deshalb habe ein Ermittlungsrichter, so das TV-Magazin, eine Observation Amris bis zum 21. Oktober 2016 beschlossen. Anders als in einem späteren Vermerk dargelegt, wurde allerdings laut des Berichts gar keine Observation durch das Landeskriminalamt in dem geforderten Zeitraum durchgeführt. Worauf diese Vermutung beruht, blieb allerdings unklar.

Es sind nicht die ersten Beschuldigungen zu möglichen Manipulationen der Polizeiakten im Fall Anis Amri. Weitere Vorwürfe gibt es bereits, seit der Sonderermittler des Senats, der Ex-Bundesanwalt Bruno Jost, Mitte Mai dieses Jahres herausfand, dass Akten im Fall Amri möglicherweise rückdatiert und Hinweise zum Ausmaß der Drogenhändleraktivitäten des Tunesiers nachträglich relativiert worden sein könnten. Statt von einem gewerbs- und bandemäßigen Drogenhandel war in später angelegten Berichten nur von Kleinsthandel die Rede.

Bei Innenexperten der rot-rot-grünen Koalition wurden die neuen Vorwürfe am Freitag mit Zurückhaltung aufgenommen. »Ich habe keine Ahnung, ich kenne die Akten nicht«, sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Benedikt Lux. Und: »Ich habe ein Interesse daran, in Ruhe aufzuklären.«

Auch der Innenexperte der LINKEN, Hakan Taş, bezeichnete angesichts des neuen Vorwurfs am Freitag erneut die Entscheidung als richtig, noch vor der Sommerpause einen Untersuchungsausschuss einzurichten. »Alle Fragen müssen geklärt werden«, sagte Taş. Dass der Untersuchungsausschuss noch vor der parlamentarischen Sommerpause eingesetzt wird, ist auch deshalb wichtig, damit die Mitarbeiter der Fraktionen gleich beginnen können, die umfangreichen Aktenbestände zu dem islamistischen Attentäter zu sichten. Gleich nach Ende der Sommerpause könnte das Untersuchungsgremium seine Arbeit aufnehmen.

Wie »nd« berichtete, wollen die Regierungsfraktionen mit CDU und FDP in der kommenden Woche über den Untersuchungsauftrag sprechen.

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