Protest gegen Zustände in Notunterkunft

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 2 Min.

Einen ungewöhnlichen Anblick bietet das Areal vor dem Bürgeramt am ehemaligen Rathaus Wilmersdorf. Bereits seit Mittwoch ist dort ein regelrechtes Zeltlager entstanden, in dem eine wachsende Zahl von Flüchtlingsfamilien campiert. Zwischen den Zelten wird gekocht, gegessen und debattiert. Viele Unterstützer haben sich eingefunden. Das Camp ist Ausdruck des Protests gegen die Zustände in dem Gebäude, in dem derzeit mehr als 900 Asylbewerber, vor allem Familien, leben.

Zunächst ging es um mangelnde Hygiene und schlechtes Essen. Einige der Bewohner präsentieren Bettwanzen, die sie in ihren Zimmern eingefangen haben wollen. Viele der Menschen, die jetzt Tag und Nacht im Freien ausharren, schimpfen auf das Essen, das von einem Caterer geliefert wird. Sie fordern seit langem, selbst kochen zu dürfen, doch das ist in der Gemeinschaftsunterkunft wegen des Brandschutzes untersagt.

Seit Freitag stehen nun auch Gewaltvorwürfe gegen Angehörige des Sicherheitsdienstes im Raum, den der Betreiber, der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) verpflichtet hat. Ein Security-Mitarbeiter habe einen Afghanen, einen Familienvater, gegen dessen Willen festgehalten. Es soll ein Video davon geben. Der Mann sei sogar geschlagen worden.

Sozialsenatorin Elke Breitenbach (LINKE) hat am Samstagabend im TV-Magazin rbb-Aktuell die Gewaltvorwürfe im wesentlichen bestätigt. »Der Mann ist schwer verletzt«, sagte sie. »Deshalb haben wir ihn jetzt in eine Unterkunft gebracht, wo er sich selbst versorgen kann. Außerdem muss die Familie aus dieser Bedrohungssituation heraus.« Sie sieht vor allem den Betreiber der Unterkunft in der Verantwortung. »Wir werden jetzt mit dem Arbeiter-Samariter-Bund darüber reden, ob die Security abgezogen wird oder ob da einzelne Personen abgezogen werden.«

Im rbb-Inforadio nannte die Senatorin die Zustände in der Wilmersdorfer Einrichtung »nicht hinnehmbar«. Sie wolle anerkannten Asylbewerbern schnell neue Unterkünfte anbieten und arbeite »in Abstimmung mit den Bezirken« an einen Umzugsplan.

Der Betreiber ASB hat den Zusammenstoß des Bewohners mit der Security in einer Erklärung »sehr bedauert« und ein Gespräch mit dem Sicherheitsunternehmen angekündigt. Man werde die Familie dabei unterstützen, ihre Situation im Haus erträglicher zu gestalten und schnell eine geeignetere Einrichtung zu finden.

Tags zuvor hatte der ASB mitgeteilt, dass das Gesundheitsamt Charlottenburg-Wilmersdorf nach einer Begehung am 15. Mai die Beanstandung der hygienischen Verhältnisse nicht bestätigt habe. Breitenbach forderte dagegen, die Einhaltung des Hygieneplans des Amtes rasch zu kontrollieren und gegebenenfalls nachzuarbeiten.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -