Harte Arbeit im Kurort
Für Bundeskanzlerin Merkel und Russlands Präsidenten war die Ukrainekrise in Sotschi ein Kernthema
Von der Terrasse der »Datscha« des Russischen Präsidenten, die sich als ausgedehnte Residenz mit allem Drum und Dran sowie einer vorzüglichen Küche erweist, eröffnet sich ein weiter Blick auf das Schwarze Meer. Palmen säumen die Ufer. Doch Kur und Erholung stehen nicht auf der Tagesordnung, wenn hier Wladimir Putin Gastgeber ist. Der hat keine schlechte Position. Soeben hat ihm das »Lewada-Zentrum«, das seinen Premier Dmitri Medwedjew im Sympathiekeller sieht, beste Werte bescheinigt. 64 Prozent der Russen würden ihn 2018 gern wieder als Präsidenten sehen.
In Ukrainekonflikt und Syrienkrise ist Putin daheim nicht beizukommen. Beides ist aber auch nicht einfach so mit dem üblichen Verweis, dass Russland nur Druck auf die Separatisten im Donbass oder Syriens Präsidenten Baschar al-Assad ausüben müsse, zu lösen. Doch Russland wolle das Normandie-Format mit Deutschland, Frankreich und der Ukraine fortsetzen, »auch über die Präsidentenwahl in Frankreich hinaus«, versichert der Gastgeber.
Eine Lösung des Konfliktes wird ohne den Beitrag der Ukraine zur Erfüllung des Minsker Friedensplanes aber nicht zu machen sein, stellt Putin klar. In Kiew sieht er die Hauptverantwortlichen für eine Blockade, die den Donbass zunehmend stärker vom Kernland trennt. Schon Außenminister Sergej Lawrow fragte seinen Amtskollegen Sigmar Gabriel bei dessen Antrittsbesuch nicht nur rhetorisch, warum immer nur Russland sanktioniert werde, wenn doch die Ukraine sich allzu vielen Forderungen verweigere. Das dürfte der deutsche Außenminister seiner Kanzlerin berichtet haben.
Angela Merkel verbindet in Sotschi die Aufhebung der antirussischen Sanktionen wieder mit der Erfüllung von Minsk, sieht aber auch bei der Ukraine Versäumnisse. Sie habe die »dringende Bitte« an Putin ausgesprochen, »alles zu tun, um diesen Waffenstillstand hinzubekommen«, sagt sie. Nur dadurch werde es der Ukraine möglich, »schmerzhafte Kompromisse« bezüglich des Status’ der Gebiete in der Ostukraine zu machen. Der Prozess sei »mühselig«, räumt sie ein. Einen Ausstieg aus dem Abkommen lehnte sie ab: »Es fehlt an der Umsetzung, nicht an Abkommen.« Auch ihr Gastgeber möchte Minsk 2 nicht für gescheitert erklären.
Den Preis der Sanktionen zahlen derweil alle Beteiligten. Die deutsche Wirtschaft hat nie einen Zweifel an ihrem Missfallen gelassen, wenn sie die Maßnahmen auch duldete. »Die bisherigen EU-Sanktionen haben zu einer Entflechtung der Wirtschaftsräume Europas und Russlands geführt, konnten jedoch nicht zu einer Entschärfung des Ukraine-Konfliktes beitragen«, bilanziert im Frühjahr nicht nur die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Schon vor zwei Jahren sah das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) europaweit weit mehr als zwei Millionen Arbeitsplätze und rund 100 Milliarden Euro an Wertschöpfung in Gefahr.
Am Gefrierpunkt und von ungeklärter Aussicht erscheint weiterhin das Verhältnis von Weißem Haus und Kreml. Ihr Telefonat ließen die Präsidenten Donald Trump und Putin auf den Dienstagabend legen. Da sollte das Treffen mit Angela Merkel absolviert sein. Traditionell wäre ein anschließender Meinungsaustausch der deutschen Bundeskanzlerin mit dem US-Präsidenten allerdings eher zu erwarten gewesen.
Als »Meinungswechsel« Trumps präsentierte das Internetportal gaseta.ru vorab die Äußerung des US-Präsidenten in einem CBS-Interview vom Wochenende, er »werde gemeinsam mit Russland handeln«. Beim G20-Gipfel im Juli in Hamburg wird man sich kaum aus dem Weg gehen können - und um dessen Vorbereitung ging es der Kanzlerin ganz besonders.
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