Nächster Halt: Nazi-Randale

Neonazis weichen nach gescheitertem Aufmarsch in Halle nach Apolda aus – ein massiver Polizeieinsatz wird nötig

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 3 Min.

Nachdem es vor zwei Jahren während des Tags der Arbeit zu schweren rechten Übergriffen in Weimar und Saalfeld gekommen war, hatte sich die Thüringer Polizei vorgenommen, dass sich so etwas niemals wiederholen darf – und war deshalb zu diesem 1. Mai mit einem Großaufgebot vor allem in Gera präsent. Für die Stadt hatte die rechte Splitterpartei »Der III. Weg« für Montag zu einer Kundgebung aufgerufen, zu der in Sicherheitskreisen zahlreiche gewaltbereite Neonazis erwartet worden waren. Gleichzeitig hatten dort die Gewerkschaften zu ihrer für den Freistaat zentralen Kundgebung eingeladen. Dass es schließlich mal wieder anders kam als erwartet, hatte wiederum mit einem Neonazi-Aufmarsch in Halle zu tun.

Denn während die Rechten in Gera marschieren konnten, blockierten Gegendemonstranten in der Stadt in Sachsen-Anhalt die Route, die die Neonazis nehmen wollten. Das sorgte bei Dutzenden von ihnen für so großen Frust, dass sie sich am späten Montagnachmittag auf der Rückreise von Halle nach Erfurt dazu entschieden, in Apolda aus dem Zug zu steigen, um sich dort zu einer nicht angemeldeten Demonstration zu versammeln. Vermutlich, sagte eine Sprecherin der für die Stadt zuständigen Landespolizeiinspektion Jena am Dienstag, seien die Rechtsextremen ganz bewusst in der Kleinstadt ausgestiegen, weil sie gewusst hätten, dass in allen größeren Städten des Freistaats ein massives Polizeiaufgebot unmittelbar vor Ort war; eben wegen der Erfahrungen von Weimar und Saalfeld im Jahr 2015.

In Apolda jedenfalls begannen die Rechtsextremen nach Polizeiangaben sofort, nicht nur ihre Gesinnung zur Schau zu stellen. Sie vermummten sich, zündeten eine Vielzahl von Pyrotechnik und griffen die relativ wenigen am Bahnhof befindlichen Beamten mit Flaschen- und Steinwürfen an. Das führte zu einer großen und zügigen Umgliederung der Polizeieinheiten in Thüringen – die letztlich offenkundig erfolgreich war. Binnen kürzester Zeit seien etwa 400 Beamte in Apolda gewesen, sagte die Polizeisprecherin.

Dieses massive Polizeiaufgebot konnte die Neonazis schließlich stoppen und einkesseln; die Demonstration der Neonazis also auflösen. Genau 103 Menschen aus dem rechten Spektrum habe die Polizei dabei vorläufig festgenommen und ihre Personalien aufgenommen, sagte die Polizeisprecherin. Was vor Ort robuster ablief, als es sich in der Einsatzbilanz der Beamten liest. Zahlreiche der Rechtsextremen fanden sich bald mit Kabelbindern gefesselt wieder, nicht wenige davon lagen schließlich mit dem Gesicht nach unten auf der Straße. Die Einheiten der Bereitschaftspolizei griffen in diesem Fall offenbar so hart zu, wie sie es bei linken Demonstranten in der Vergangenheit schon mehrfach getan hatten.

Die Sachschadensbilanz des Einsatzes: drei Funkstreifenwagen seien durch Steine und Flaschen beschädigt worden, sagte die Polizeisprecherin. Außerdem sei die Scheibe eines Versicherungsbüros zerstört worden. Wie in der Vergangenheit waren auch diesmal an rechten Ausschreitungen im Freistaat aber nicht nur Neonazis aus dem Freistaat beteiligt. Zwar seien auch wieder mehrere in Thüringen bekannte Rechtsextreme unter den vorläufig festgenommenen gewesen, sagte die Polizeisprecherin. Es seien aber auch Rechte aus anderen Bundesländern unter den Teilnehmern des Aufzuges gewesen.

Thüringens Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) hatte im Vorfeld der Demonstrationen zum 1. Mai angekündigt, die Polizei werde gegen mögliche Gewalttäter konsequent vorgehen. Nachdem die Polizei dieser Maxime gefolgt ist, ist es nun an der Justiz zu entscheiden, was sie aus der Vorarbeit der Beamten macht. Die Ermittlungen wegen des Vorfalls hat die Staatsanwaltschaft Erfurt übernommen, die den Rechten derzeit unter anderem Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollzugsbeamte und Sachbeschädigung vorwirft.

Inzwischen sind alle der 103 vorläufig festgenommenen Männer und Frauen wieder auf freiem Fuß.

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