Autoritäre Haltung gegen den Bürger
Bündnis warnt vor Folgen der Gesetzesverschärfung
Bürgerrechtsgruppen und andere zivilgesellschaftlich engagierte Gruppen sind besorgt. Sie sehen in dem neuen BKA-Gesetz ein Instrument zu ihrer Disziplinierung. Und sie haben Grund dazu, sind sie es doch, denen für ihre Anliegen immer wieder nur die Straße bleibt. In dem Gesetz ist eine Mindeststrafe von drei Monaten Gefängnis für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgesehen, im Falle eines Widerstands von Gruppen - zwei oder mehr Personen - gar sechs Monate. Dies sei »völlig unverhältnismäßig«, heißt es im Aufruf zu einer Kundgebung am Donnerstagabend vor dem Reichstag. Der von den Gerichten äußerst weit definierte Begriff des »tätlichen Angriffs« sei in der Praxis schnell erfüllt. So könnte bereits ein einfaches Schubsen künftig zur Haftstrafe führen.
»Stimmen Sie gegen die Novellierung des Strafgesetzbuchs Paragraph 113 und 114!«, fordern das Bündnis Ende Gelände die Abgeordneten in einem Brief auf. Ohne zivilen Ungehorsam wäre der Atomausstieg in Deutschland nicht erreicht worden, heißt es darin weiter. Ebenso wenig hätte es ein Ende der Apartheid in Südafrika, die Bürgerrechtsbewegung im Herbst 1989 in der DDR, die Proteste gegen den Vietnamkrieg in den USA oder das weltweite Wahlrecht für Frauen gegeben. Für eine aktive Zivilgesellschaft brauche es eine Gesetzeslage, die nicht vor Beteiligung an Versammlungen abschreckt.
Im Streitfall benachteilige das Gesetz außerdem die Demonstranten und führe zu ihrer Kriminalisierung. Angriffe auf Vollstreckungsbeamte würden künftig deutlich stärker sanktioniert als solche, die sich gegen Bürger richten. Diese Verschärfung sei nicht nur drakonisch und grundlos, sie zeige auch eine autoritäre Staatsauffassung. Deutschland habe kein Problem mit steigender Gewalt gegen Polizisten, sondern mit steigender Polizeigewalt. »Das behaupten nicht wir, sondern die Vereinten Nationen und Amnesty International.«
Wer Polizeibeamte anzeige, könne »so sicher wie das Amen in der Kirche auch davon ausgehen, dass Sie am nächsten Tag wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt angezeigt werden«, zitiert das Bündnis den Juristen Professor Clemens Arzt. Es sagten dann zumeist zwei oder mehr Polizeibeamte gemeinsam aus, und es sei sehr schwierig für einen Bürger oder eine Bürgerin, vor Gericht dagegen anzukommen. So hätten in Stuttgart vier Polizisten einen Autofahrer in einer Verkehrskontrolle verprügelt und zu Boden geworfen. Angezeigt wurde anschließend der Autofahrer - wegen Widerstands. Erst ein Video in den sozialen Medien habe die Wahrheit ans Licht gebracht.
Das Bündnis weist zudem darauf hin, dass die neuen Strafmaße Mindeststrafen sind. »Kein Richter und keine Richterin könnte noch sagen, dass ein Vorwurf trivial und absurd wäre und daher nur mit einer geringen Geldstrafe oder gar nicht geahndet wird. Jedes Gericht in diesem Land müsste, egal wie lächerlich der Tathergang gewesen, auf drei oder sechs Monate Gefängnis entscheiden.«
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